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Anti-Korruptionsrazzia in der Wohnung von Andrij Jermak: Vertrauenskrise im engsten Umfeld Selenskyjs

2 Min. Lesezeit
Andrij Jermak
Andrij Jermak Fotograf: Oliver Contreras/AFP/Getty Images über Bloomberg

Ermittler erscheinen im Morgengrauen

Ukrainische Anti-Korruptionsbehörden haben am frühen Freitagmorgen die Kiewer Wohnung von Andrij Jermak durchsucht — dem Leiter des Präsidialamtes und einflussreichsten Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Nach Einschätzung von Bloomberg könnte allein die Tatsache, dass Ermittler in der Wohnung eines Mannes auftauchen, den viele als das „zweite Machtzentrum“ der Ukraine bezeichnen, erhebliche Folgen für das internationale Ansehen Kiews und seine Position in Verhandlungen mit westlichen Partnern haben.

Die Durchsuchung wurde vom Nationalen Anti-Korruptionsbüro (NABU) gemeinsam mit der Spezialisierten Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft (SAPO) durchgeführt. Jermak bestätigte die Verfahrenshandlungen und erklärte, vollständig mit den Ermittlern zu kooperieren:

„Die Ermittler haben uneingeschränkten Zugang erhalten. Meine Anwälte sind vor Ort. Es gibt keinerlei Hindernisse“, schrieb der Leiter des Präsidialamtes auf Telegram.

NABU teilte lediglich mit, dass „ermittlerische Maßnahmen“ „im Rahmen eines laufenden Verfahrens“ durchgeführt würden, und kündigte weitere Informationen zu einem späteren Zeitpunkt an.

Politischer Schlag gegen das ukrainische Verhandlungsteam

Die Durchsuchung bei dem Mann, der die Kommunikation Kiews mit Washington und europäischen Hauptstädten steuert, kommt zu einem äußerst sensiblen Zeitpunkt. In den kommenden Tagen wird eine US-Delegation in der Ukraine erwartet, um über eine aktualisierte Friedensinitiative zu sprechen, die nach Angaben ukrainischer Medien Bedingungen enthalten soll, die für Kiew ungünstig sind.

Nach Einschätzung von Bloomberg könnte der Skandal um Jermak „die diplomatischen Bemühungen, eine Formel zur Beendigung des Krieges zu finden, erschweren und den Druck auf Selenskyj im In- und Ausland erhöhen“.

Der Präsident hat versprochen, die Korruption auszumerzen, nachdem ein groß angelegtes Veruntreuungsschema im Energiesektor aufgedeckt wurde. Ermittler gehen davon aus, dass der Schaden bis zu 100 Millionen US-Dollar betragen könnte. Im Zentrum dieses Systems soll sich Timur Minditsch, ein langjähriger Geschäftspartner Selenskyjs, befunden haben. Minditsch verließ das Land, bevor Ermittler versuchten, ihn festzunehmen.

Das „schwache Glied“ im engsten Zirkel des Präsidenten

Andrij Jermak gehört zu den mächtigsten Figuren innerhalb der ukrainischen Regierung. Seit 2020 steht er an der Spitze des Präsidialamtes und gilt als unverzichtbarer Koordinator der Beziehungen der Ukraine zu ihren westlichen Partnern. Der innerparteiliche Druck auf Selenskyj, Jermak zu entlassen, wächst seit Wochen — insbesondere nachdem ein umstrittener Vorstoß zur Beschneidung der Befugnisse der Anti-Korruptionsbehörden im Sommer zu Straßenprotesten und Missfallen westlicher Verbündeter geführt hatte.

Trotzdem lehnte Selenskyj es ab, sich von seinem engsten Vertrauten zu trennen — selbst nachdem bereits zwei Minister im Zuge desselben Korruptionsskandals zurücktreten mussten.

Ein weiterer Test angesichts einer möglichen „Großen Übereinkunft“ zwischen den USA und Russland

Die Ermittlungen erhöhen die politische Unruhe in Kiew just zu dem Zeitpunkt, an dem ein neuer US-russischer Vorschlag zur Beendigung des Krieges kursiert. Nach Berichten ukrainischer Medien sieht der Plan weitreichende Zugeständnisse an Präsident Wladimir Putin vor. Jermak wurde erst vor einer Woche zum Chefunterhändler gegenüber der amerikanischen Delegation ernannt — nun könnte sein Status infrage stehen.

Wie Bloomberg anmerkt, schaffe die Razzia „Komplikationen für die ukrainische Diplomatie in einem Moment, in dem sich das Land keinen Verlust westlicher Unterstützung leisten kann“.

Historischer Hintergrund: Alte Wunden, neue Risiken

Korruption begleitet die Ukraine seit der Unabhängigkeitserklärung 1991. Doch die heutigen Skandale haben eine weit größere geopolitische Tragweite: Sie liefern jenen Kräften im Westen Argumente, die sich gegen weitere Unterstützung der Ukraine im vierten Jahr der russischen Invasion aussprechen.

Rund zehn Mitarbeiter der Anti-Korruptionsbehörden betraten am frühen Freitagmorgen das Regierungsviertel, berichtete Ukraïnska Prawda, und führten dort mehrere Stunden lang Ermittlungsmaßnahmen durch. Die Untersuchung dauert an — ebenso wie die wachsenden Fragen an die politische Führung des Landes.


Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Bloomberg veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: Bloomberg.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei Bloomberg.

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