Brüssels Position: Übereilte Entscheidungen gefährden diplomatische Bemühungen
Belgiens Premierminister Bart De Wever hat davor gewarnt, dass eine schnelle Billigung des EU-Plans, eingefrorene russische Staatsvermögenswerte zur Finanzierung der Ukraine einzusetzen, de facto die Chancen auf ein zukünftiges Friedensabkommen zur Beendigung des fast vier Jahre andauernden Krieges zerstören würde.
Sein Schreiben an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen — zitiert von der Financial Times — wurde weniger als einen Monat vor einem entscheidenden EU-Gipfel versandt, auf dem die Staats- und Regierungschefs des Blocks über die nächste Phase der finanziellen Unterstützung für Kiew entscheiden sollen.
Nach Ansicht der Financial Times stellt der Brief eine der deutlichsten Warnungen eines Landes dar, das den größten Teil der eingefrorenen russischen Vermögenswerte in Europa verwahrt.
Kontext: Der EU-Plan über 140 Mrd. € und die parallele Initiative von Präsident Donald Trump
Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, die Erträge aus eingefrorenen russischen Staatsvermögenswerten — blockiert nach der russischen Vollinvasion — zu nutzen, um einen „Reparationskredit“ in Höhe von 140 Mrd. € zu schaffen, der die finanzielle Stabilität der Ukraine für mindestens zwei Jahre sichern soll.
Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten unterstützt diese Initiative. Belgien jedoch — wo etwa 185 Mrd. € der insgesamt 210 Mrd. € eingefrorenen Vermögenswerte über die in Brüssel ansässige Wertpapierverwahrstelle Euroclear gehalten werden — lehnt den Plan entschieden ab. Brüssel befürchtet Vergeltungsmaßnahmen Moskaus und sieht zudem rechtliche Risiken, falls der Kreditmechanismus scheitern oder die Sanktionen gegen russische Vermögenswerte später verändert werden.
Wie die Financial Times anmerkt, fällt Belgiens Intervention zeitlich mit einer neuen Initiative von US-Präsident Donald Trump zusammen, der versucht, den Konflikt zu einem Ende zu bringen — weitgehend unter Umgehung der europäischen Hauptstädte.
Belgiens Argumente: Finanzielle und rechtliche Risiken für Euroclear
In seinem Brief erklärt De Wever unmissverständlich:
„Ein überhastetes Vorgehen bei dem vorgeschlagenen Reparationskredit hätte zur Folge, dass wir als EU de facto verhindern, ein mögliches Friedensabkommen zu erreichen.“
Der Premierminister formulierte strenge Bedingungen für eine belgische Zustimmung. Die EU-Mitgliedstaaten müssten verbindliche Garantien übernehmen, um sämtliche potenziellen Verluste Euroclears im Zusammenhang mit den 185 Mrd. € russischer Vermögenswerte abzudecken. Er forderte „rechtlich bindende, bedingungslose, unwiderrufliche, auf Abruf bereitstehende gesamtschuldnerische Garantien“, die vor dem EU-Gipfel vorliegen müssten.
Belgien besteht außerdem darauf, dass:
- alle EU-Länder die Kosten möglicher Rechtsstreitigkeiten teilen,
- eingefrorene russische Vermögenswerte in anderen EU-Staaten ebenfalls in den Finanzierungsmechanismus einbezogen werden,
- die rechtliche Konstruktion des Plans nicht wie eine Konfiskation wirkt — was das Vertrauen der Anleger in europäische Staatsanleihen erheblich erschüttern könnte.
Diese Bedenken decken sich mit einer separaten Warnung von Euroclear selbst, das argumentiert, der Mechanismus könne die Kreditaufnahme für EU-Regierungen verteuern und die finanzielle Glaubwürdigkeit des Blocks beschädigen.
Ein alternativer Ansatz: Nutzung ungenutzter EU-Budgetbefugnisse
Anstelle des „Reparationskredits“ schlägt De Wever vor, die ungenutzten Kreditbefugnisse im gemeinsamen EU-Budget zu nutzen, um der Ukraine 45 Mrd. € bereitzustellen — die Summe, die die Kommission als Finanzbedarf Kiews für 2026 veranschlagt.
Er betont, dass ein solcher Ansatz:
„tatsächlich günstiger wäre als die Option des Reparationskredits, wenn alle Risiken berücksichtigt werden.“
Der Premierminister fügt außerdem eine grundsätzliche Warnung hinzu:
„Wenn wir davon sprechen, dass wir ‚skin in the game‘ haben wollen, müssen wir akzeptieren, dass es unsere eigene Verantwortung sein wird. Reden ist billig, aber die Unterstützung der Ukraine wird leider teuer sein.“
Reaktion der Europäischen Kommission
Ursula von der Leyen erklärte, die Kommission sei „bereit, in Kürze einen juristischen Text“ für den EU-Kreditplan vorzulegen. Dies verdeutlicht, dass Brüssel den Reparationskredit trotz des Widerstands Belgiens weiter vorantreiben will.
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