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Belgischer Premier warnt: Scheitert die Ukraine-Finanzierung, droht Europa eine Blamage

3 Min. Lesezeit
Bart De Wever
Bart De Wever wiederholte Belgiens Bedingungen für die Unterstützung des Reparationskredits. | Michael Kappeler/picture alliance/Getty Images via Politico

Die EU vor einer Bewährungsprobe

Die Europäische Union stünde vor einer „ultimativen geopolitischen Blamage“, sollten ihre Staats- und Regierungschefs keine Einigung über die Finanzierung der Ukraine erzielen. Mit dieser Warnung wandte sich Belgiens Premierminister Bart De Wever an die Abgeordneten des föderalen Parlaments – unmittelbar vor einem entscheidenden EU-Gipfel.

Nach Ansicht De Wevers wäre ein Scheitern nicht nur ein finanzieller Rückschlag, sondern würde eine tiefgreifende politische Krise auslösen, deren Folgen Europa über Jahrzehnte hinweg spüren würde. Nach Einschätzung von Politico betrachtet De Wever diesen Moment als Test dafür, ob die EU in der Lage ist, als geschlossener und verantwortungsvoller geopolitischer Akteur zu handeln.

Eingefrorene russische Vermögenswerte und die besondere Rolle Belgiens

Belgien spielt eine zentrale Rolle in der Debatte über mögliche Finanzierungsquellen für die Unterstützung der Ukraine. In dem Land ist der Finanzdienstleister Euroclear ansässig, der rund 185 Milliarden Euro an eingefrorenen russischen Vermögenswerten verwahrt. Die Europäische Kommission und mehrere EU-Mitgliedstaaten schlagen vor, diese Gelder – oder zumindest die daraus erzielten Erträge – zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen.

Die belgische Regierung lehnt diesen Ansatz jedoch bislang ab. De Wever betonte, dass die Verwendung russischer Vermögenswerte erhebliche völkerrechtliche Bedenken aufwerfe und das Vertrauen in das europäische Finanzsystem sowie die Glaubwürdigkeit von Euroclear untergraben könne.

„Die Gans, die goldene Eier legt“

In seiner Rede vor dem Parlament griff De Wever erneut auf ein bildhaftes Gleichnis zurück, das er bereits früher verwendet hatte. Er verglich die Erträge aus den eingefrorenen Vermögenswerten mit einer wertvollen, aber verletzlichen Einnahmequelle.

„Der Plan besteht heute darin, die Gans, die goldene Eier legt, zu servieren und zu verspeisen“, sagte De Wever.

Damit machte er deutlich, dass Europa seiner Ansicht nach Gefahr läuft, langfristige finanzielle Stabilität zugunsten einer kurzfristigen politischen Lösung aufs Spiel zu setzen.

Ein Sprung ins Ungewisse – aber gemeinsam

Gleichzeitig schloss De Wever nicht aus, dass Belgien sich an dem vorgeschlagenen Mechanismus beteiligen könnte – allerdings nur unter strengen Bedingungen. Dazu zählen Garantien für die Liquidität, Schutz vor möglichen russischen Gegenmaßnahmen sowie eine vollständige Risikoteilung unter allen EU-Mitgliedstaaten.

„Wenn andere Länder bereit sind, die Risiken vollständig zu teilen und Belgien zu schützen, dann springen wir alle gemeinsam von dieser Klippe – und hoffen, dass der Fallschirm hält“, erklärte er.

Die Alternative sei aus seiner Sicht noch gravierender: keine Einigung, ein finanzieller Zusammenbruch der Ukraine und ein schwerer Schaden für das internationale Ansehen Europas.

„Ein Scheitern der Unterstützung für die Ukraine wäre die ultimative geopolitische Blamage Europas, deren Folgen wir jahrzehntelang spüren würden“, fügte der Premier hinzu.

Druck von Partnern und Spannungen innerhalb der EU

Trotz der festen Haltung Belgiens nimmt der Druck anderer EU-Staaten zu. Deutschland, Polen, die baltischen Staaten sowie die nordischen Länder gehören zu den entschiedenen Befürwortern eines sogenannten Reparationskredits, der durch russische Vermögenswerte abgesichert werden soll.

De Wever bezeichnete diese Länder als einen „großen und mächtigen Block“ und stellte fest, dass auch die Europäische Kommission in diese Richtung tendiere. Seiner Darstellung zufolge seien ernsthafte Überlegungen zu alternativen Modellen weitgehend vom Tisch gewesen, nachdem Berlin öffentlich seine Unterstützung für den Plan signalisiert habe.

Belgien ist nicht allein

Ganz isoliert ist Belgien jedoch nicht. Auch Italien, Bulgarien und Malta haben Vorbehalte gegen die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte geäußert und dabei auf rechtliche Risiken sowie mögliche Gegenreaktionen Moskaus verwiesen.

De Wever deutete zudem an, dass es Akteure gebe, die von einem zerstrittenen Europa profitieren würden – einem Europa ohne Lösung für die Ukraine und mit eskalierenden inneren Konflikten. Ohne konkrete Namen zu nennen, bezeichnete er ein solches Szenario als katastrophal.

Ein entscheidender Tag für Europa

Der belgische Premier räumte ein, dass keines der bislang vorgelegten Konzepte die Bedingungen Belgiens erfülle.

„Bis heute habe ich keinen einzigen Text gesehen, der diesen Anforderungen entspricht“, sagte er.

Abschließend betonte De Wever, der Gipfel sei ein Moment der Wahrheit für die Europäische Union.

„Die entscheidende Frage heute lautet: Was sagt Europa?“, erklärte er und nannte den Tag „einen wirklich besonderen Tag“.

Nach Einschätzung von Politico wird das Ergebnis der Gespräche zeigen, ob die EU bereit ist, beispiellose Schritte zur Unterstützung der Ukraine zu gehen – und welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit ist.


Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Politico veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: Politico.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei Politico.

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