Die Verhandlungen innerhalb der EU werden zunehmend schwieriger
Der Europäischen Union fällt es zunehmend schwer, sich auf einen Mechanismus zur Finanzierung der Unterstützung für die Ukraine mithilfe eingefrorener russischer Vermögenswerte zu einigen. Dies räumte die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, ein und betonte, dass der Vorschlag auf wachsenden Widerstand innerhalb des Staatenbundes stößt.
Nach Angaben von Kallas bleibt der Zugang zu den eingefrorenen Mitteln die „glaubwürdigste“ Option, doch ein Konsens unter den Mitgliedstaaten ist bislang nicht erreicht. Bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel im Vorfeld eines Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs rief sie die Regierungen dazu auf, schneller voranzukommen.
„Die anderen Optionen tragen nicht wirklich. Wir sind noch nicht so weit, und es wird zunehmend schwieriger, aber wir haben noch ein paar Tage“, sagte Kallas gegenüber Journalisten.
Ein kritischer Moment für die Ukraine und den Zusammenhalt der EU
Die Debatte findet in einer sensiblen diplomatischen Phase statt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj führt Gespräche mit US-Unterhändlern in Berlin, während die EU-Staats- und Regierungschefs bemüht sind sicherzustellen, dass ein mögliches Abkommen nicht zugunsten Moskaus ausfällt.
Ein Scheitern bei der Finanzierung der Ukraine würde einen schweren Schlag für den Zusammenhalt des 27-staatigen Bündnisses bedeuten. Nach Ansicht von Bloomberg würde die Unfähigkeit, sich in dieser zentralen Frage zu einigen, tiefer liegende innere Spannungen innerhalb der EU offenlegen – gerade zu einem Zeitpunkt, an dem von ihr strategische Entschlossenheit und langfristige Verantwortung erwartet werden.
Belgien, Euroclear und wachsende rechtliche Risiken
In der vergangenen Woche griff die EU zu Notfallbefugnissen, um das Einfrieren russischer Vermögenswerte zu verlängern – ein notwendiger Schritt für jede Form ihrer möglichen Nutzung. Der Großteil der Vermögenswerte wird in Belgien über den Finanzverwahrer Euroclear gehalten, und gerade Belgien hat die stärksten Vorbehalte geäußert.
Belgische Regierungsvertreter warnen vor erheblichen rechtlichen Risiken und möglicher finanzieller Haftung, sollte auf die Vermögenswerte zugegriffen werden. Diese Sorgen wurden zusätzlich verstärkt, nachdem die russische Zentralbank in Moskau Klage eingereicht und von Euroclear 18,2 Billionen Rubel (rund 229 Milliarden US-Dollar) gefordert hat.
Die russische Notenbank bezeichnete das Vorgehen des Verwahrers als „rechtswidrig“ und erklärte, es mache es der Bank unmöglich, über ihre Gelder und Wertpapiere zu verfügen.
Das Vertrauen in die EU als Finanzstandort steht auf dem Spiel
Der Streit um die russischen Vermögenswerte geht weit über die unmittelbare Frage der Ukraine-Finanzierung hinaus. Innerhalb der EU wächst die Sorge, dass eine faktische Enteignung oder erzwungene Nutzung staatlicher Vermögenswerte das Vertrauen in die Europäische Union als politischen und finanziellen Akteur auf der globalen Bühne untergraben könnte.
Über Jahrzehnte hinweg beruhte das europäische Finanzsystem auf dem Grundsatz des Schutzes von Eigentumsrechten – selbst in Zeiten geopolitischer Konflikte. Eine Aufweichung dieses Prinzips würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen und andere Staaten sowie Zentralbanken dazu veranlassen, die EU als Rechtsraum wahrzunehmen, in dem Regeln je nach politischer Lage verändert werden.
Nach Einschätzung von Bloomberg erklärt gerade die Angst um den Verlust des Rufs als sicherer Hafen für internationales Kapital den Widerstand Belgiens und anderer Länder, in denen zentrale Finanzinfrastrukturen angesiedelt sind.
Risiken für den Euro und das globale Finanzsystem
Experten warnen zudem vor langfristigen Folgen für die Rolle des Euro als Reservewährung. Währungsreserven werden nicht aus politischer Sympathie gehalten, sondern wegen Verlässlichkeit und rechtlicher Sicherheit. Jede Wahrnehmung von Willkür könnte die Diversifizierung weg vom Euro hin zu anderen Währungen, Gold oder alternativen Finanzinstrumenten beschleunigen.
Darüber hinaus drohen der EU internationale Gerichtsverfahren, mögliche Gegenmaßnahmen in Form von Vermögensbeschlagnahmungen im Ausland sowie steigende Versicherungs- und Regulierungskosten für Finanzintermediäre. Damit würde die finanzielle Unterstützung für die Ukraine zu einem kostspieligen und langfristig belastenden Instrument.
Warum die EU den Plan dennoch weiterverfolgt
Trotz dieser Risiken bleibt der politische Druck innerhalb der EU hoch. Direkte Haushaltszahlungen zur Unterstützung der Ukraine sind bei den Wählern unpopulär und durch fiskalische Regeln begrenzt. Vor diesem Hintergrund erscheinen eingefrorene russische Vermögenswerte als Finanzierungsquelle, die keine unmittelbaren innenpolitischen Kosten verursacht.
Brüssel bemüht sich, den Ansatz nicht als Enteignung, sondern als vorübergehende Maßnahme oder als Nutzung der Erträge aus den Vermögenswerten darzustellen. Außerhalb der EU werden solche juristischen Feinheiten jedoch häufig als flexible Auslegung von Prinzipien wahrgenommen.
Eine Bewährungsprobe für Europa
Die Debatte über die eingefrorenen russischen Vermögenswerte entwickelt sich zunehmend zu einer Bewährungsprobe für den politischen Willen und das strategische Urteilsvermögen der Europäischen Union. Es geht nicht nur um die Finanzierung der Ukraine, sondern auch darum, wie viel Vertrauen, rechtliche Glaubwürdigkeit und finanzielle Stabilität Europa bereit ist zu riskieren.
Wie Bloomberg betont, ist es genau dieser Umstand, der eine Einigung „zunehmend schwierig“ macht: Auf dem Spiel steht weit mehr als eine kurzfristige politische Entscheidung – es geht um die künftige Rolle Europas im globalen Finanzsystem.
Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Bloomberg veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.
Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: Bloomberg.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei Bloomberg.


