Heute: Dez. 29, 2025
Suchen
РусскийEnglish

EU einigt sich auf 90-Mrd.-Euro-Kredit für die Ukraine nach Scheitern des Plans mit russischen Vermögenswerten

3 Min. Lesezeit
Wolodymyr Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj spricht am Donnerstag auf dem Brüsseler Gipfel. Die Ukraine warnte, dass ihr ohne weitere Unterstützung Anfang 2026 der Zusammenbruch drohe. © John Thys/AFP/Getty Images via The Financial Times

Brüssel findet einen Kompromiss zur Unterstützung Kyjiws

Die Europäische Union hat sich darauf geeinigt, der Ukraine einen Kredit in Höhe von 90 Milliarden Euro zu gewähren, der an den Kapitalmärkten aufgenommen und durch den gemeinsamen EU-Haushalt abgesichert wird. Die Entscheidung fiel, nachdem die Mitgliedstaaten keine Einigung darüber erzielen konnten, eingefrorene russische Staatsvermögen direkt zur Finanzierung Kyjiws zu nutzen.

Nach Einschätzung der Financial Times stellt das Abkommen eine erzwungene, aber entscheidende finanzielle Maßnahme dar. Es half der EU, eine politische Blockade zu vermeiden und die Finanzierung der Ukraine für die kommenden zwei Jahre zu sichern – vor dem Hintergrund wachsender Sorgen, dass das Land ohne zusätzliche Unterstützung bereits Anfang 2026 in eine finanzielle Krise geraten könnte.

Warum der Plan mit russischen Vermögenswerten scheiterte

Im Zentrum der Auseinandersetzungen standen rund 210 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten, die größtenteils in Belgien eingefroren sind. Diskutiert wurde ein Modell, bei dem diese Mittel als Sicherheit für einen sogenannten „Reparationskredit“ an die Ukraine dienen sollten.

Belgien bestand jedoch auf unbegrenzten Garantien der übrigen EU-Staaten, um mögliche rechtliche Risiken oder Vergeltungsmaßnahmen Russlands abzusichern. Nach Angaben mit den Gesprächen vertrauter Personen wurden diese Forderungen als überzogen angesehen, was letztlich zum Scheitern des ursprünglichen Vorschlags führte.

Infolgedessen sahen sich die EU-Staats- und Regierungschefs gezwungen, nach einem alternativen Finanzierungsmechanismus zu suchen, der nicht direkt auf russische Vermögenswerte zurückgreift.

Marathonverhandlungen und ein nächtlicher Kompromiss

Nach mehr als 16 Stunden intensiver Verhandlungen einigten sich die EU-Spitzen auf einen neuen Ansatz: Die Aufnahme von 90 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten, abgesichert durch ungenutzte Ausgabenreserven im gemeinsamen EU-Haushalt. Die Mittel sollen den zentralen Finanzbedarf der Ukraine für die kommenden zwei Jahre decken.

„Wir haben uns verpflichtet – und wir haben geliefert“, erklärte der Präsident des Europäischen Rates, António Costa, nach dem Gipfeltreffen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron warnte, ein Scheitern der Gespräche wäre „eine Katastrophe“ gewesen, und betonte, dass die EU den Brüsseler Gipfel nicht ohne einen konkreten Finanzierungsplan für Kyjiw hätte verlassen dürfen.

Rückzahlungsbedingungen und die Rolle Russlands

Nach den vereinbarten Bedingungen muss die Ukraine den Kredit nur dann zurückzahlen, wenn Russland Reparationszahlungen leistet. Die eingefrorenen russischen Vermögenswerte bleiben unangetastet und könnten langfristig zur Bedienung des Kredits herangezogen werden, falls Moskau sich weigert, Entschädigungen zu zahlen.

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete das Ergebnis als „eine praktische und wirksame Lösung“ und räumte ein, dass das zuvor diskutierte Modell mit russischen Vermögenswerten zu komplex gewesen sei.

„Wir haben immer gesagt, dass es darum geht, der Ukraine das Geld zu verschaffen – nicht um die Methode“, sagte ein an den Verhandlungen beteiligter EU-Beamter.

Politische Folgen innerhalb der EU

Die Abkehr vom Reparationskredit stellt einen politischen Rückschlag für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den deutschen Kanzler dar, die die Nutzung russischer Vermögenswerte nachdrücklich unterstützt hatten. Der belgische Premierminister Bart De Wever hingegen erklärte, der Kompromiss habe Europa vor internen Spaltungen bewahrt.

„Europa hat gewonnen, und die finanzielle Stabilität hat gewonnen“, sagte er.

Wer zahlt – und wer außen vor bleibt

Die Vereinbarung sieht außerdem vor, dass Tschechien, Ungarn und die Slowakei keine direkten finanziellen Verpflichtungen aus diesem Kredit tragen müssen. Diese Länder hatten zuvor erklärt, sie würden den Einsatz von EU-Mitteln zur Unterstützung der Ukraine nicht mittragen.

Ein hochrangiger europäischer Beamter machte jedoch deutlich, dass dies nicht ohne politische Konsequenzen bleiben werde:
„Sie müssen nicht zahlen – aber politisch werden sie dafür zahlen.“

Reaktion aus Kyjiw und der größere Kontext

Der erste stellvertretende Außenminister der Ukraine, Serhij Kyslyzja, begrüßte die Einigung und erklärte, sie verschaffe Kyjiw die Mittel, die das Land benötige, „um sich selbst und ganz Europa zu schützen“. Er bezeichnete das Ergebnis als Beispiel dafür, dass Pragmatismus über idealistische, aber nicht umsetzbare Konzepte gesiegt habe.

Nach Einschätzung der Financial Times unterstreicht der 90-Milliarden-Euro-Kredit den Willen der EU, eine eigenständige politische Rolle bei den Gesprächen über eine künftige Friedensregelung zu bewahren und ihre Verantwortung für die langfristige Unterstützung der Ukraine zu bekräftigen.


Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei The Financial Times veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: The Financial Times.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei The Financial Times.

Banner

Werbung

Don't Miss

US-Präsident Trump und Wolodymyr Selenskyj

Selenskyj sucht stärkere Unterstützung Trumps: Entmilitarisierte Zone, Sicherheitsgarantien und ein neuer Friedensplan

Am Sonntag trafen Selenskyj und Trump in Trumps Residenz Mar-a-Lago in Florida zusammen.

Öltankers Jumbo

Russische Öltanker ändern ihre Routen im Schwarzen Meer und halten sich näher an die türkische Küste

Dieser Umweg könnte nach Ansicht von Bloomberg ein Versuch sein, das Risiko von Angriffen ukrainischer Seedrohnen zu verringern, die in den vergangenen Wochen verstärkt gegen die Schifffahrt eingesetzt wurden.