Nach Angaben von Bloomberg könnten die Lieferungen von russischem Öl nach Indien deutlich zurückgehen, nachdem Präsident Donald Trump erklärt hatte, Premierminister Narendra Modi habe zugesagt, die Einfuhren von Rohöl aus Russland zu stoppen.
Sechs ranghohe Manager staatlicher indischer Ölraffinerien gaben zu, dass die Äußerungen des US-Präsidenten sie überrascht hätten. Wie Bloomberg berichtet, wollten alle anonym bleiben, da sie nicht befugt sind, sich zu Regierungsentscheidungen zu äußern. Drei von ihnen sagten, dass Indiens Käufe von russischem Öl kurzfristig tatsächlich zurückgehen könnten, bis Neu-Delhi offizielle Anweisungen erhält.
Zwischen Washington und innenpolitischem Druck
Indiens Handel mit russischem Öl steht seit Monaten unter genauer Beobachtung der Vereinigten Staaten. Washington hat wiederholt auf die indischen Ölimporte aus Russland hingewiesen und diese als Rechtfertigung für höhere Zölle auf Waren aus Südasien angeführt. Neu-Delhi versucht seither, einen schwierigen Balanceakt zu vollziehen – einerseits die Energieunabhängigkeit zu wahren, andererseits eine diplomatische Konfrontation mit den USA zu vermeiden.
Präsident Trump erhöht den Druck weiter, doch Modi steht auch im eigenen Land unter Druck. Oppositionsparteien und zivilgesellschaftliche Gruppen fordern, sich nicht dem äußeren Einfluss zu beugen und die Energiesouveränität Indiens zu verteidigen.
Überprüfung der Beschaffungsstrategien
Wie Bloomberg berichtet, haben die führenden indischen Raffinerien – die staatliche Indian Oil Corporation (IOC) und der private Konzern Reliance Industries Ltd. – begonnen, ihre Rohölbeschaffungsstrategien zu überdenken. Dabei geht es nicht nur um politische, sondern auch um wirtschaftliche Aspekte: Russische Ölsorten wie Urals sind pro Barrel mehrere Dollar günstiger als Rohöl aus dem Nahen Osten, Afrika oder Amerika. Diese Preisvorteile machen russisches Öl besonders attraktiv für Indien, wo die Energieabhängigkeit eine der zentralen Herausforderungen bleibt.
Vor dem Krieg in der Ukraine war Russlands Anteil an Indiens Ölimporten nahezu null. In den vergangenen zwei Jahren ist Moskau jedoch zum größten Lieferanten des Landes aufgestiegen. Nun steht Neu-Delhi vor der schwierigen Aufgabe, neue, kostengünstige und stabile Bezugsquellen zu finden – ein Unterfangen, das sich als äußerst kompliziert erweist.
Tanker, Routen und Sanktionen
Laut Daten des Analyseunternehmens Vortexa befinden sich derzeit rund 60 Millionen Barrel russischen Rohöls auf dem Weg nach Indien. Etwa die Hälfte davon ist für den Hafen Sikka bestimmt, der von Reliance genutzt wird. Einer der Tanker – die Jacklyn, die von der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich sanktioniert wurde – traf dort am Donnerstag ein und brachte Rohöl aus dem russischen Fernen Osten.
Trotz der wachsenden Unsicherheit haben die indischen Raffinerien bislang keinen Panikkauf von alternativen Rohölsorten eingeleitet. Händler, die regelmäßig mit Indien Geschäfte machen, berichten, dass der Markt stabil bleibe, auch wenn die Nervosität zunehme.
Ein Balanceakt der Interessen
Schätzungen des Unternehmens Kpler Ltd., die noch vor Trumps Äußerungen erstellt wurden, gehen davon aus, dass die russischen Öllieferungen nach Indien im Oktober durchschnittlich 1,7 Millionen Barrel pro Tag betragen werden – rund sechs Prozent mehr als im September, aber etwas weniger als im Vorjahr.
Präsident Trump nannte keinen konkreten Zeitplan, bis wann Indien die Importe von russischem Öl einstellen müsse, und gab auch keinen Hinweis darauf, wie Washington die Einhaltung dieser Zusage überwachen oder durchsetzen wolle. Er erklärte lediglich, dass dieser Prozess „nicht sofort“ erfolgen werde.
Das indische Ölministerium reagierte laut Bloomberg nicht auf Anfragen zur Stellungnahme. Der Sprecher des indischen Außenministeriums, Randhir Jaiswal, betonte jedoch, dass die Energiepolitik des Landes „vollständig von den Interessen des indischen Verbrauchers geleitet“ werde und dass „die Gespräche mit den USA andauern“.
Eine Entscheidung ohne einfache Antworten
Neu-Delhi steht nun zwischen zwei Fronten: dem Druck Washingtons und dem Wunsch, die strategischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten – sowie der Notwendigkeit, die Kraftstoffpreise im eigenen Land niedrig zu halten.
Beobachter sind der Meinung, dass Indien weiterhin einen Balancekurs verfolgen wird – die Importe reduzieren, wenn der Druck aus den USA zunimmt, und sie wieder steigern, sobald dieser nachlässt. Dieses „Pendeln“ verdeutlicht das zentrale Dilemma der indischen Energiepolitik: die Wahl zwischen politischen Allianzen und wirtschaftlichem Pragmatismus.
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