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Indische Raffinerie mit Rosneft-Beteiligung fährt nach Sanktionsschock wieder hoch

4 Min. Lesezeit
Der Raffineriekomplex Vadinar
Der Raffineriekomplex Vadinar, betrieben von Nayara Energy Ltd. – früher Essar Oil Ltd. und inzwischen im gemeinsamen Besitz von Rosneft Oil Co. und Trafigura Group Pte. – liegt nahe Vadinar im indischen Bundesstaat Gujarat. Foto: Dhiraj Singh / Bloomberg.

Nach Angaben von Bloomberg hat sich bei Nayara Energy Ltd. (mitbeteiligt ist Rosneft) bereits zwei Monate nach dem Sanktionsauslöser eine Erholung abgezeichnet: Der staatliche Rückhalt, alternative Abwicklungswege für Zahlungen und die Verlagerung vom Export auf den Inlandsmarkt haben das Unternehmen wieder auf Kurs gebracht.

Bank-„Brücken“ und Abrechnungen in Rupien

Wie mit der Situation vertraute Bloomberg-Quellen berichten, hat Nayara Vereinbarungen mit indischen Banken – darunter der State Bank of India – getroffen, um Zahlungen in der Landeswährung abzuwickeln. Bereits im September erhielt UCO Bank die Genehmigung der Regierung, mit Nayara zusammenzuarbeiten, und kommt als Abwickler für Auslandszahlungen in Betracht. Das verringert die Abhängigkeit von westlicher Infrastruktur und ermöglicht Lieferungen an heimische Kunden.

Normalisierung des Betriebs: von Tankstellen zu Teil-Exporten

Die industrielle Tätigkeit kehrt schrittweise zur Normalität zurück. Laut Agenturquellen ist die Auslastung der Raffinerie in Vadinar derzeit bei rund 75 % – mit steigender Tendenz. Verarbeitete die Anlage früher einen Mix aus saudischen, irakischen und russischen Sorten, hat sich der Rohstoffkorb nun verschoben: Rückgrat ist russisches Urals-Öl, ergänzt um kleinere Mengen indischen Rohöls.

Priorität habe die Bedienung der Binnen­nachfrage, einschließlich des eigenen Netzes von mehr als 6 500 Tankstellen. Zugleich baut Nayara die Exportketten schrittweise wieder auf – mithilfe schwimmender Lager (floating storage) und einer Flotte, zu der nach Bloomberg-Schiffsdaten auch sanktionierte Schiffe gehören. Ein Regierungsbeamter sagte, Hindustan Petroleum Corp. habe seine Käufe von Nayara-Produkten bereits erhöht.

Die offizielle Tonlage des Unternehmens bleibt zurückhaltend, aber konkret. Am Montag erklärte Nayara: „Unsere Raffinerie arbeitet weiterhin auf normalem Niveau, und wir bedienen aktiv die Nachfrage unserer indischen Verkaufsstellen und Kunden“, ergänzt um den Hinweis, man „prüfe verschiedene Optionen für den Export, sobald die heimische Nachfrage gedeckt ist“. Aus Sicht von Bloomberg lautet die Botschaft an den Markt: Der Export kommt zurück – aber strikt nach dem Prinzip „Inlandsmarkt zuerst“.

Warum die Sanktionen schmerzten: Überraschungseffekt und Infrastrukturlücke

Die EU-Sanktionen gegen Nayara wurden im Juli bekanntgegeben – EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas informierte darüber auf X (vormals Twitter). Die Wirkung war unmittelbar: Innerhalb einer Woche traten mehrere Aufsichtsratsmitglieder zurück, darunter CEO Alessandro Des Dorides sowie weitere EU-Bürger. Der Schock setzte sich entlang der gesamten „Lebensader“ fort – von Software-Lizenzen (einschließlich Microsoft-Produkten) bis zur Versicherungsdeckung: Nach dem Rückzug europäischer P&I-Clubs kündigte der indische Carrier Great Eastern Shipping mehrere Verträge. Banken mit starker West-Exponierung verschärften ihre Compliance-Vorgaben – mit Folgen für die Liquidität.

Gedämpfter Export: „schwimmende Lager“ vor Sohar und Ship-to-Ship-Umladungen

Trotz Stabilisierung liegen die Exportströme deutlich unter Vorjahresniveau. Kpler schätzt, dass Nayara im September rund 2,2 Mio. Barrel Ölprodukte ausführt – weniger als die Hälfte des Volumens im gleichen Zeitraum 2024, als westliche Routen noch teilweise offen waren. Zudem gingen bedeutende Teile der Fracht aus Vadinar vor Anker oder in Ship-to-Ship-(STS-)Umladungen vor dem omanischen Sohar.

Tracking-Daten zeigen, dass seit Ende August mindestens vier sogenannte Floater vor Sohar fast 130 000 Tonnen Nayara-Produkte aufgenommen haben. Erster „Hub“ war der Tanker Wu Tai: Er erhielt eine Ladung, stand zuvor unter Management der indischen Gatik Ship Management (die nach dem Aufbau der russischen „Schattenflotte“ ab 2022 stark gewachsen ist) und wird inzwischen von der in Shanghai ansässigen Yue Liang Hu Shipmanagement Co. geführt. Ende September übernahm die Wu Tai weitere Produkte vom Tanker Varg. Ein weiterer Tanker – Blue Talu – lud Anfang September in Nayara produzierten Diesel und fährt nun von Sohar ab, mit Zielsignal „Vadinar“. Laut Hafenagenten stand die Blue Talu 2023 ebenfalls unter Gatik-Management, wechselte aber später den Manager.

Starke Binnennachfrage als „Sicherheitskissen“

„India’s big domestic fuel demand is a strong buffer for the country’s refiners“, betont Vandana Hari, Gründerin von Vanda Insights. Da die Anlage von Nayara vollständig mit russischem Rohöl betrieben werden kann, gibt es keine Engpässe bei der Rohstoffversorgung; geringere Produktexporte lassen sich durch niedrigere Durchsätze und Umleitung in den Binnenmarkt kompensieren.

Vorsicht der Banken – aber erste „Fenster“ öffnen sich

Nach mehreren Treffen mit Nayara-Führungskräften sind große Kreditgeber mit internationaler Exponierung – etwa SBI – weiterhin in erster Linie bereit, inländische Zahlungen in Rupien zu unterstützen. Das begrenzt die Außenaktivitäten, hält jedoch den operativen Zyklus aufrecht und ermöglicht verlässliche Lieferungen an Tankstellen sowie Industriekunden im Land.

Parallel dazu, so Bloomberg-Quellen, führt Nayara Gespräche mit Saudi-Arabien und dem Irak über die Wiederaufnahme von Rohöleinkäufen. Das Unternehmen versucht, Verkäufer davon zu überzeugen, dass mangels US-Sanktionen beherrschbare Risiken bestehen, und rechnet damit, die Lieferungen in den kommenden Wochen wiederaufzunehmen.

„Über 100 %“: Tonlage des Managements und Brancheneinordnung

Auf einer Energiekonferenz Anfang September in Neu-Delhi erklärte Nayara-Aufsichtsratschef Prasad Panicker: „India’s refining sector has the resilience to ensure that whatever happening in the geopolitics, we would continue to run at more than 100% capacity.“ Die Aussage ist als Branchensignal zu lesen: Indische Raffinerien stützen sich auf eine robuste Binnennachfrage und einen flexiblen Rohölkorb, in dem russisches Urals in den vergangenen zwei Jahren zu einem wichtigen, verlässlichen Baustein geworden ist.

Anfragen von Bloomberg an das indische Ölministerium, HPCL und SBI blieben unbeantwortet.

Bedeutung für den Markt

  1. Umstieg auf Rupien-Abrechnungen schwächt den Sanktionshebel der westlichen Finanzinfrastruktur und verschafft Nayara einen „Korridor“, um den Binnenmarkt zu bedienen.
  2. Schwimmende Lager und STS vor Sohar sind kein „neuer Normalzustand“, sondern ein temporäres Logistikinstrument, um den Absatz bei eingeschränkten Standardrouten zu glätten.
  3. Rohstoff ist kein Engpass: Die Anlage kann mit Urals laufen; Gespräche mit Lieferanten aus dem Nahen Osten dienen der Risikodiversifizierung.
  4. Export bleibt teilblockiert: Selbst wenn die Mengen zunehmen, wird der Binnenmarkt in den kommenden Monaten Priorität behalten.

Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Bloomberg veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: Bloomberg.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei Bloomberg.

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