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Neunfacher Preisabstand: Warum Strom in Deutschland plötzlich viel teurer ist als in Frankreich

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Ein Strommasten
Ein Strommasten neben Wohngebäuden in Berlin. Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg

Deutschland verzeichnete einen kräftigen Anstieg der Strompreise – ausgelöst durch schwache Erzeugung aus erneuerbaren Energien und steigende Kosten für Emissionszertifikate. Frankreich, dessen Stromsystem auf einer großen Flotte von Kernkraftwerken basiert, blieb von ähnlicher Volatilität verschont – was zu einer rekordhohen Divergenz zwischen den Nachbarmärkten führte.

Laut Epex Spot lag der Day-Ahead-Preis für Mittwoch in Deutschland bei 125,95 € je Megawattstunde, während er in Frankreich nur 13,86 €/MWh betrug. Der rund neunfache Unterschied markierte den Höhepunkt einer dreitägigen Phase erhöhten Preisdrucks in Deutschland.

Die Haupttreiber der Schieflage sind Wetter und Erzeugungsmix. Zu Wochenbeginn deckten deutsche Solar- und Windparks nur einen bescheidenen Anteil der Nachfrage, sodass eine beträchtliche Lücke entstand. Diese musste von Gas- und Kohlekraftwerken geschlossen werden – zumal das Land seine eigenen Kernkraftwerke vor mehr als zwei Jahren endgültig abgeschaltet hat. Dieses Muster ist typisch für Systeme mit hohem Anteil erneuerbarer Energien: Lässt Wind und Sonne nach, springt die thermische Erzeugung ein – sie reagiert jedoch sensibel auf Brennstoffkosten und die Preise für Emissionsrechte.

Zusätzlichen Aufwärtsdruck übten CO₂-Zertifikate aus. Mit dem nahenden September erhöhen Unternehmen traditionell ihre Käufe, um die Emissionen des Vorjahres bis zur Compliance-Deadline abzudecken; Restpositionen werden vor Fristende aufgebaut. Das verteuert den Betrieb von Gaskraftwerken und schlägt direkt auf die Day-Ahead-Preise durch.

Frankreich war in diesem Zeitraum von der Wetterlotterie weitgehend abgeschirmt: Die große Kernkraftflotte stellt Grundlast bereit und glättet Preisspitzen, wie sie in stark erneuerbarengetriebenen Systemen bei schlechtem Wetter auftreten können. Marktmodelle deuten darauf hin, dass die Windstromerzeugung in Deutschland ab Donnerstag wieder anziehen dürfte, was den Preisdruck teilweise mindern könnte.

Die Aussicht auf Normalisierung skizziert die Rabobank-Strategin Florence Schmit in London:

„Ich glaube nicht, dass die Stärke der CO₂-Preise nach der Compliance-Deadline anhalten wird, und daher sollten sich bis dahin spätestens auch die Strompreise anpassen.“

Kurz gesagt: 125,95 €/MWh in Deutschland gegenüber 13,86 €/MWh in Frankreich für Mittwoch zeigen, wie die Kombination aus niedriger EE-Erzeugung und teureren Emissionsrechten Europas Strompreiskarte binnen weniger Tage neu zeichnen kann. Kurzfristig hoffen die Märkte auf stärkeren Wind und nachlassende Nachfrage nach Zertifikaten nach dem Fristablauf – beides theoretisch preisdämpfend. Doch die strukturelle Trennlinie bleibt: zwischen Systemen, in denen Kernenergie eine feste Grundlast liefert, und jenen, in denen die Basislast bei Flaute aus Gas, Kohle und grenzüberschreitenden Importen „zusammengesetzt“ werden muss – eine zentrale Demarkationslinie im europäischen Stromsektor.


Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Bloomberg veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: Bloomberg.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei Bloomberg.

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