Am Sonntag, dem 28. September, wählt Moldau ein neues Parlament – und damit faktisch den Kurs des Landes: weiter Richtung EU oder eine Hinwendung nach Moskau. Laut Bloomberg, das interne Dokumente eingesehen hat, genehmigte der Kreml im Frühjahr einen mehrgleisigen Plan, um den Ausgang zu beeinflussen. Ziel sei es, die Partei Aktion und Solidarität (PAS) von Präsidentin Maia Sandu zu schwächen und sie letztlich aus der Macht zu drängen. Das Medium betont, es habe die Umsetzung jedes einzelnen Punkts nicht verifizieren können; zwei europäische Regierungsvertreter nannten die Durchführung jedoch „beinahe unausweichlich“.
Was im „Plan“ steht: Mobilisierung der Diaspora, Straßendruck und eine Content-Fabrik
Den von Bloomberg zitierten Dokumenten zufolge besteht der Kern darin, die Unterstützung für PAS zu zerstreuen und umzulenken, während zugleich der Anschein eines wettbewerblichen Urnengangs gewahrt bleibt. Vier Hauptwerkzeuge sind skizziert:
- Diaspora als Hebel. Moldauer im Ausland (auch in Russland) sollen angeworben und ihre Reisen zu Wahllokalen in der EU und anderswo bezahlt werden. Diaspora-Stimmen waren 2024 ausschlaggebend; nun sollen sie gezielt gesteuert werden.
- Die Straße als Verstärker. Einsatz vorbereiteter Gruppen – darunter junge Männer aus Sportklubs und kriminellen Netzwerken – für Provokationen am Wahltag und danach. Verliert PAS, sollen Rücktrittsforderungen gegen Sandu folgen; gewinnt PAS, wird der Wahlausgang als „verfälscht“ diskreditiert.
- Massendisinformation. Telegram-Netzwerke, TikTok, Facebook, Callcenter und „klassische“ Kanäle verbreiten die Botschaft, Sandu sei eine ausländische Marionette, die das Land in Elend und Krieg treibe.
- Administrativer Druck. Einsatz von „Kompromat“, um den Wahlprozess zu stören und zu verlangsamen, indem Beamte unter Druck gesetzt werden.
Chișinău fährt seinerseits die Gegenmaßnahmen hoch: Die Polizei beantragte die Sperrung von 443 TikTok-Kanälen, meldete ein Vorgehen gegen Stimmenkauf und beschlagnahmte am 16. September 5 Mio. Lei (rund 302.000 $) in einem Verfahren wegen illegal eingeführter Barmittel zur Parteienfinanzierung und zum Stimmenkauf. Der Kreml reagierte nicht auf die Anfrage von Bloomberg; russische Behörden erklären regelmäßig, man mische sich nicht in ausländische Wahlen ein, und bezeichnen derartige Vorwürfe als „Russophobie“.
Die Einsätze: EU-Kurs vs. „Wendung nach Moskau“, Geldflüsse und regionale Präzedenzfälle
Moldau liegt zwischen der Ukraine und dem EU-/NATO-Mitglied Rumänien, hat eine bedeutende russischsprachige Minderheit, die abtrünnige Region Transnistrien (laut Europarat unter faktischer Besatzung) und einen jüngsten Schuldspruch in Gagausien wegen russischer Finanzierung einer Partei. Auf dem Spiel steht: entweder eine Beschleunigung der europäischen Integration (PAS will den Beitrittsprozess vorantreiben und Mittel erschließen) oder ein Stopp mit Drift Richtung Moskau. Die EU stellt sich sichtbar dahinter: Ende August besuchten Emmanuel Macron, Friedrich Merz und Donald Tusk Chișinău. Umfragen deuten jedoch an, dass PAS ihre Parlamentsmehrheit verlieren könnte – ein schwieriges Koalitionspuzzle droht.
Geld ist ein zentraler Indikator. Sandu sagte europäischen Abgeordneten, Russland habe etwa 1 % des moldauischen BIP – rund 150 Mio. € (178 Mio. $) – ausgegeben, um das letztjährige EU-Referendum und ihre Wiederwahl zu beeinflussen. Von Bloomberg zitierte europäische Regierungsvertreter halten es für hoch wahrscheinlich, dass vergleichbare Summen für diesen Wahlzyklus bereitstehen. Der regionale Kontext zeigt das Drehbuch: In Georgien führte die Abstimmung im Vorjahr zu Vorwürfen der Einmischung und lang anhaltenden Protesten; in Rumänien ordneten Richter eine Neuwahl an, nachdem ein „russischer Einfluss“ einen rechtsextremen Außenseiter zum Sieg in Runde 1 getragen haben soll. Am 16. September erklärte Rumäniens Generalstaatsanwalt Alex Florența, eine monatelange Untersuchung habe eine hybride Kampagne seit 2022 aufgedeckt: vier mit Russland verbundene Firmen betrieben Fake-Accounts und KI-Bots mit einer Reichweite von mindestens 1,3 Mio. Bürgern.
Chișinăus Ton ist unmissverständlich. Präsidentin Sandu formulierte es am 9. September in Straßburg so:
„Das Ziel des Kremls ist klar: Moldau über die Wahlurnen zu erobern, uns gegen die Ukraine zu instrumentalisieren und unser Land zu einem Sprungbrett für hybride Angriffe auf die Europäische Union zu machen. Deshalb ist diese Wahl sehr wichtig. Indem wir sie verteidigen, schützen wir nicht nur Moldau, sondern auch die regionale Sicherheit und Stabilität.“
Die Opposition, der „Schatten der Nachrichten“ und der Kampf um Legitimität
Im Rennen sind der „nominal pro-EU“-Block Alternative und ein prorussisches Lager unter Igor Dodon. Ein separater Dokumentensatz, den Bloomberg einsehen konnte, beschreibt Hunderte von Nachrichten zwischen Dodon und einem ranghohen moldauischen Geheimdienstoffizier von Oktober 2019 bis Mai 2021: erbetene und gelieferte Informationen betrafen Fluglisten, Grenzübertritte, Treffen – nicht nur über Gegner wie Sandu, sondern auch über prorussische Mitstreiter und bestimmte ausländische Botschaften.
Dodon weist Fehlverhalten zurück:
„Was meine Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen betrifft, so erfolgte sie stets im öffentlichen Interesse, nicht aus politischen oder persönlichen Gründen … Als Staatsoberhaupt handelte ich ausschließlich im Rahmen des Gesetzes und im nationalen Interesse.“
In einem „offenen Brief“ wirft er den Behörden vor, die Opposition illegal unter Druck zu setzen:
„Das herrschende Regime in Moldau nutzt administrative Ressourcen aktiv nicht nur zur Durchsetzung seiner politischen Ziele, sondern auch zur Einschüchterung seiner wichtigsten Konkurrenten.“
Bloomberg ergänzt, Dodon habe im Februar 2020 Informationen über eine Person angefordert, die – so Dodon – von „östlichen Partnern“ nachdrücklich für den Sicherheitsrat gefordert worden sei; zwei Monate später – im Streit über Getreidelieferungen aus Transnistrien – verlangte er Updates und stellte fest, „die Russen schreiben mir“.
Fazit. In Moldau prallen drei Vektoren aufeinander: die europäische Integration, gestützt durch politische und finanzielle Hilfe der EU; eine prorussische Strategie, die auf Straßen- und Onlinetaktiken plus gezielten Verwaltungsdruck setzt; und ein interner Wettbewerb der Oppositionskräfte um die Rolle des „bevorzugten Partners“ Moskaus. Der 28. September wird nicht nur für PAS, sondern für die Resilienz der Institutionen zum Test – von der Polizeiarbeit bis zur Fähigkeit der Gesellschaft, echte Konkurrenz von einer konstruierten Scheinkonkurrenz zu unterscheiden.
Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Bloomberg veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.
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