Kernaussage. Peking hat die russische Pipeline „Power of Siberia-2“ näher an die Umsetzung gerückt und seine Bereitschaft signalisiert, LNG aus dem sanktionierten Projekt Arctic LNG-2 zu beziehen. Zusammengenommen festigen diese Schritte die energiepolitische Bindung zwischen Russland und China, verringern Chinas Bedarf an US-LNG und unterlaufen die Strategie des „US-Energiedominanz“, die Präsident Donald Trump an seinem ersten Amtstag verkündet hat. Nach Ansicht von Bloomberg spiegeln Pekings Schritte sowohl ökonomische Kalkulation als auch eine geopolitische Botschaft an Washington wider.
Peking ändert den Ton: Power of Siberia-2 kommt in Bewegung
Nach Jahren der Pausen und vorsichtigen Formulierungen zur Power-of-Siberia-2-Leitung hat China dem Projekt de facto freie Bahn geschaffen. Gazprom bezeichnete die neuen Verständigungen als „verbindlich“, während Pekings offizielle Verlautbarungen breitere, eher „schirmartige“ Formulierungen zur „Energiezusammenarbeit“ wählten. Zum Paket gehört auch der Ausbau der Kapazitäten auf anderen Zuführungsrouten nach China.
Zugegeben, die Details bleiben vage: Die chinesische Seite bestätigt nicht jede Nuance, und im Hafen Beihai wurde bislang nur eine LNG-Ladung registriert. China wird außerdem kaum von seiner Lieferantendiversifizierung abrücken. Doch der „Knoten“ Russland–China ist offenkundig enger gezogen.
„Die geopolitische Botschaft ist signifikant“, sagt Michal Meidan, Leiterin der China-Forschung am Oxford Institute for Energy Studies. „Russland braucht Abnehmer für sein Gas und spricht seit langem vom Pivot nach Osten; dies ist ein bedeutender Absatzkanal. China sichert sich gegen seine Abhängigkeit von US-LNG und von der US-amerikanischen Finanz-Handelsarchitektur ab.“
Nach Einschätzung von Bloomberg haben Präsident Wladimir Putins Besuch in China und die in Peking erzielten Vereinbarungen dem Projekt einen kräftigen politischen Schub verliehen – eines der markantesten Energieergebnisse der Reise.
Was Power of Siberia-2 für den Markt bedeutet
Für Moskau ist die Pipeline die Chance, die nach 2022 nahezu versiegten Exporte nach Europa zu ersetzen; für Peking stärkt sie die Verhandlungsmacht und senkt Preisrisiken. Nach Berechnungen von BloombergNEF könnte China – unter Einbeziehung der Ausweitungen bestehender Pipelinekapazitäten – potentiell auf das Äquivalent von über 40 Millionen Tonnen LNG pro Jahr verzichten, also auf mehr als die Hälfte seiner gesamten LNG-Importe des Vorjahres.
Gazprom nennt keinen Starttermin. BNEF hält einen Zeithorizont „nach 2030“ für realistisch. Analysten von Bernstein warnen vor einem Marktschwenk:
„Da China der größte LNG-Importeur ist, würde dies den LNG-Markt auf den Kopf stellen … Für LNG-Projekte, die noch in Erwägung gezogen werden, wäre das ein großer Negativfaktor.“
Bernstein errechnet, dass russisches Gas bis Anfang der 2030er Jahre bis zu 20 % von Chinas Bedarf decken könnte – gegenüber rund ~10 % heute. Das impliziert einen geringeren Bedarf an zusätzlichen US-LNG-Mengen.
Zölle, Hormus und die „Hochpreis-Phase“
Nach Ansicht von Bloomberg fiel Pekings Entscheidung, mehr russisches Gas zu disponieren (oder sich zumindest diese Option offen zu halten), nicht im luftleeren Raum:
- steigende Spannungen in der Straße von Hormus, einer Schlüsselarterie für LNG-Transporte;
- der anhaltende Effekt erhöhter Preise nach dem Krieg in der Ukraine;
- der Zollkonflikt: umfassende Zölle von Präsident Donald Trump und Gegenmaßnahmen von Präsident Xi – einschließlich Abgaben auf US-LNG.
Ein aufschlussreiches Detail: seit mehr als sechs Monaten hat China keine US-LNG-Ladungen abgenommen – die längste Pause seit der vorherigen Runde des Handelskonflikts während der früheren Amtszeit von Präsident Donald Trump.
Verhandlungspositionen: Preis, Flexibilität, Auslastungsrisiko
Der Schlüssel zu Power of Siberia-2 liegt in den kommerziellen Bedingungen. Experten erwarten, dass Moskau niedrige Preise nahe dem chinesischen Inlandsniveau akzeptieren muss sowie weiche Abnahmeverpflichtungen, die das Risiko einer Unterauslastung der Pipeline erhöhen.
„Das bedeutet, dass die Profitabilität fraglich ist; doch für Moskau ist es wichtiger zu zeigen, dass es weiterhin einen großen, langfristigen Exportkanal hat, als die Marge“, betont Tatiana Mitrova vom Center on Global Energy Policy der Columbia University.
Für Peking steht maximale Flexibilität im Vordergrund – die Fähigkeit, je nach Marktlage „auszuwählen und zu verzichten“, zumal die Europäische Union anstrebt, die Einfuhr russischen Gases bis Ende 2027 faktisch zu verbieten. In dieser Logik wird Power of Siberia-2 zum größten „Rohrriegel“ für Gasimporte nach China – und zur Versicherung gegen externe Schocks.
Signal an Washington: „Wir brauchen kein zusätzliches US-LNG“
Der zentrale politische Unterton, auf den Bloomberg verweist: Peking reduziert demonstrativ seine Abhängigkeit von US-LNG.
„Es signalisiert Pekings Absicht, sich gegen eine Abhängigkeit von US-LNG abzusichern – insbesondere im Kontext der sich verschlechternden US-chinesischen Beziehungen“, unterstreicht Mitrova.
Für das Weiße Haus und die US-LNG-Projektentwickler ist das ein Warnsignal: künftige chinesische Verträge – der Ankerbedarf für neue Projekte – könnten ins Wanken geraten.
Arctic LNG-2: Stresstest für das Sanktionsregime
Ebenso aussagekräftig war das maritime Ereignis: Der erste Tanker aus dem sanktionierten Projekt Arctic LNG-2 (Novatek) löschte seine Ladung in China. Das ist de facto ein Test, wie entschlossen die Administration von Präsident Donald Trump gegen solche Lieferungen vorgehen will.
Seit das Projekt Ende 2023 auf die Sanktionsliste gesetzt wurde, hatte Novatek Mühe, Abnehmer zu finden – selbst unter Einsatz einer „Dunkelflotte“, deren Eigentümer und Bewegungen schwerer zu verfolgen sind. Laut von Bloomberg zitierten Schilderungen agierten chinesische Staatsunternehmen mit Vorsicht, auch wenn Argumente zu hören waren, Sanktionen könnten im Rahmen umfassenderer Diplomatie angepasst werden.
Die Lage veränderte sich Mitte August, als sich nach Angaben von Bloomberg-Quellen Präsident Donald Trump und Wladimir Putin bei einem Treffen in Alaska kurz über eine mögliche Zusammenarbeit mit Novatek bei Arktis-Projekten austauschten. Binnen Stunden nahmen mehrere Schiffe mit Fracht aus Arctic LNG-2 Kurs auf China, wo eine Ladung – die Arctic Mulan – im südlichen Hafen Beihai gelöscht wurde. Die Wahl eines sekundären Hafens erschien als Versuch, das Risiko im Falle US-amerikanischer Gegenmaßnahmen zu minimieren.
Offizielle Stellungnahmen von Novatek oder dem Hafenbetreiber PipeChina gab es nicht. Das US-Finanzministerium lehnte einen Kommentar ab, und die Administration von Präsident Donald Trump hat auf die jüngsten Gasentwicklungen bislang nicht öffentlich reagiert.
Eine „Rochade“ am asiatischen Gasmarkt
Die kombinierten Effekte der jüngsten Schritte, so Bloomberg:
- Peking stärkt seine Verhandlungsmacht und Diversifizierung und schützt sich gegen Preis- und Politikscherben.
- Moskau erhält eine Schaufensterbühne für den „Pivot nach Osten“, wenn auch zum Preis potenziell schwacher Projektökonomie.
- Der globale LNG-Markt tritt in eine Phase der Neubewertung – insbesondere für Projekte, die noch auf dem Reißbrett stehen und ohne China als Ankerabnehmer schwerer zu rechtfertigen sein werden.
„Da China der größte LNG-Importeur ist, würde dies den LNG-Markt auf den Kopf stellen … Für LNG-Projekte, die noch in Erwägung gezogen werden, wäre das ein großer Negativfaktor“, resümiert Bernstein.
Schlussfolgerung für die USA: China signalisiert, dass es künftiges Nachfragewachstum ohne zusätzliche US-LNG-Mengen decken kann – eine direkte Herausforderung für die Exportagenda Washingtons.
Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Bloomberg veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.
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