US-Präsident Donald Trump hat einen bevorstehenden Gipfel zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj angekündigt. Doch wie Der Spiegel betont, versteht der amerikanische Präsident das Wesen des Konflikts nicht vollständig: Der Kreml verfolgt ganz andere Ziele und schafft in der Ukraine weiterhin brutale „Fakten vor Ort“.
Verzögerte Gespräche: Die Taktik des Kremls
Bereits wird über den möglichen Ort des Treffens spekuliert. Budapest unter Ministerpräsident Viktor Orbán – einem der treuesten Verbündeten Putins innerhalb der EU – ist ein Kandidat. Ein anderer ist Genf, vorgeschlagen von Emmanuel Macron, in symbolischer Anknüpfung an die großen Gipfeltreffen zwischen Washington und Moskau im 20. Jahrhundert.
Der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis ging sogar so weit, Putin Immunität während möglicher Verhandlungen in Aussicht zu stellen. Doch dieses diplomatische „Versicherungspaket“ wirkt naiv: Der Internationale Strafgerichtshof hat bereits einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten wegen der Deportation ukrainischer Kinder erlassen, und der Kreml würde kaum eine Situation zulassen, in der dieses Thema ins Zentrum rückt.
Trump, bestärkt durch sein Telefonat mit Putin, erklärte selbstbewusst: „Innerhalb von zwei Wochen wird es ein Treffen geben, gefolgt von einem Dreiergipfel.“ Doch in Moskau klingt die Rhetorik völlig anders. Laut der Politologin Tatjana Stanowaja ist Putin nicht an einem Treffen um des Dialogs willen interessiert. Er will Selenskyj nur dann empfangen, wenn die Ukraine bereit ist zu kapitulieren.
Imperiale Logik und Putins Ziele
Für Putin ist die Ukraine kein unabhängiger Nachbar, sondern ein Puffer. Ein Schutzschild gegen die NATO, ein „Sanitärkordon“, der den Westen auf Abstand halten soll.
Im Jahr 2021 veröffentlichte er einen Essay, in dem er die Geschichte umzuschreiben versuchte: Er behauptete, die ukrainische Staatlichkeit sei eine Fiktion und Ukrainer und Russen seien „ein Volk“. Dieser Text wurde zur ideologischen Grundlage des Krieges.
Seitdem handelt der Kreml konsequent. Putin fordert regelmäßig die „Neutralität“ der Ukraine – was praktisch einem Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft gleichkommt. Gleichzeitig zeigt er offen seine Verachtung gegenüber Selenskyj, den er als „illegitim“ bezeichnet und als „Drogenabhängigen“ sowie „Nazi“ beleidigt.
Sogar Außenminister Sergej Lawrow spielt in diesem propagandistischen Theater mit. Als er zu Gesprächen nach Alaska reiste, sorgte sein Outfit für Aufsehen: ein weißer Pullover mit der Aufschrift „UdSSR“. Eine gezielte Provokation. Später, neben Trump sitzend, witzelte Putin sarkastisch: „Ein Imperialist“, und lachte, als US-Außenminister Marco Rubio das „schöne Hemd“ lobte.
Solche Details veranschaulichen den Stil des Kremls: ein Signal senden, provozieren, dann alles mit einem Scherz abwerten.
Fakten vor Ort: Militärischer Druck
Während Diplomaten über „Formate für Verhandlungen“ diskutieren, verschiebt die russische Armee systematisch die Frontlinie. In der Nacht des Gipfels im Weißen Haus meldeten ukrainische Behörden neue russische Angriffe: acht Tote, 53 Verletzte.
Die Strategie des Kremls ist klar: Während über „Friedensinitiativen“ gesprochen wird, erobert das Militär neue Positionen. Jede neue Kontaktlinie wird dann als „unvermeidliche Realität“ präsentiert, mit der Kiew am Verhandlungstisch rechnen müsse.
Putins Minimalziel bleibt die Eroberung des Donbass. Das Scheitern des Blitzkriegs im Februar 2022 machte ihn vorsichtiger, aber nicht weniger hartnäckig. Heute erinnert die Strategie des Kremls an eine schleichende Expansion: langsam, aber stetig.
Bemerkenswert ist, dass Trump, vielleicht unbewusst, die Logik des Kremls aufgreift: Ohne territoriale Zugeständnisse, so seine Worte, sei kein schneller Frieden möglich. In der Praxis bedeutet dies, dass Washington beginnt, nach Moskaus Regeln zu spielen.
Verbündete spalten und Verhandlungen blockieren
Die Hauptwette des Kremls liegt nicht auf direkten Gesprächen mit Kiew, sondern auf dem Säen von Zwietracht unter den Verbündeten der Ukraine.
Schon jetzt gehen die Stimmen in Europa auseinander. Einige Regierungen schlagen vor, nach einem möglichen Friedensabkommen Truppen in die Ukraine zu entsenden, um das Land vor einem erneuten Angriff Russlands zu schützen. Moskau reagierte scharf, nannte diesen Plan „kategorisch inakzeptabel“ und warnte vor einer „unkontrollierbaren Eskalation“. Es war eine verklausulierte Drohung – ein Hinweis, dass Russland bereit ist, den Krieg noch weiter auszuweiten.
Nach Ansicht von Tatjana Stanowaja missversteht Trump den strategischen Rahmen. Für ihn ist es ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Für Putin dagegen ein Krieg gegen den Westen, wobei die Ukraine nur ein Instrument ist.
Daraus folgt ein düsteres Fazit: Selbst wenn Trump ein Friedensabkommen zustande bringt, wird der Krieg nicht enden. Putin wird den Druck fortsetzen, denn für ihn stehen die Einsätze höher. Es geht nicht nur um Territorium, sondern um die Neuordnung der Weltordnung.
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