Ukraine und Donbass: diplomatische Sackgasse und Druck von Präsident Donald Trump

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Selenskyj und Trump
Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj und sein amerikanischer Amtskollege Donald Trump treffen sich am 18. August 2025 im Weißen Haus in Washington, D.C. MANDEL NGAN/AFP über Le Monde

Die Frage möglicher territorialer Zugeständnisse im Krieg Russlands gegen die Ukraine ist erneut ins Zentrum der Weltpolitik gerückt. Nach Angaben von Le Monde drängt US-Präsident Donald Trump darauf, dass Kiew Moskau die gesamte Donbass-Region überlässt – einschließlich jener Gebiete, die noch immer unter ukrainischer Kontrolle stehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weist diesen Vorschlag vorsichtig zurück, da er das Risiko sieht, den amerikanischen Präsidenten zu verärgern.

Die Frontkarte und Gespräche im Weißen Haus

Die Gespräche zwischen Trump und Selenskyj, die am 18. August in Washington stattfanden, begannen mit einer Karte der Ukraine, auf der 1.300 Kilometer Frontlinie und 20 % besetztes Territorium verzeichnet waren. Einzelheiten über das Gespräch wurden nicht bekannt, doch Trumps Haltung ist längst klar: Nach seinem Treffen mit Wladimir Putin am 15. August in Alaska erklärte er, der Kreml sei bereit, den Krieg zu beenden, wenn er die vollständige Kontrolle über Donezk und Luhansk erhalte.

Auf seiner Plattform Truth Social schrieb Trump:

„Präsident Selenskyj von der Ukraine kann den Krieg mit Russland fast sofort beenden, wenn er es will, oder er kann weiterkämpfen.“

Aus Trumps Sicht stellt ein solches Zugeständnis den unvermeidlichen Preis für den Frieden dar. Selenskyj jedoch lehnt dies ab – mit Unterstützung der europäischen Verbündeten. Er räumt ein, dass die ukrainische Armee derzeit nicht in der Lage ist, die besetzten Gebiete mit Gewalt zurückzuerobern, betont aber, dass eine einseitige Abtretung von Land, das sich noch unter Kiews Kontrolle befindet, unmöglich sei. Stattdessen schlug er vor, die Frontlinie einzufrieren, und erklärte seine Bereitschaft, sich persönlich mit Wladimir Putin zu treffen, um über eine Friedenslösung zu sprechen:

„Diese Frage werden wir zwischen Putin und mir belassen“, betonte er.

Befürchtungen in Kiew und Frustration in Washington

Das Thema der territorialen Integrität der Ukraine, das in Washington am Rande des Gipfeltreffens nur vage angesprochen wurde, bleibt äußerst heikel. Analysten befürchten, dass Selenskyjs kategorische Weigerung, Moskaus Bedingungen im Austausch für vage Sicherheitsgarantien zu akzeptieren, Trump verärgern könnte – der auf ein rasches Abkommen drängt.

Für Kiew erscheint die Idee, den Donbass aufzugeben, extrem gefährlich. In dem von der Ukraine kontrollierten Teil der Region Donezk leben noch über 200.000 Zivilisten. Militärs warnen, dass die Aufgabe dieser stark befestigten Gebiete nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung zerstören, sondern auch den Weg für weitere Offensiven des Kremls ins Landesinnere ebnen würde.

Der ukrainische Analyst Wolodymyr Fesenko erklärt:

„Jeder einseitige Rückzug ukrainischer Truppen aus irgendeiner Region wäre ein schwerer Fehler, der in der Ukraine massive Kritik hervorrufen würde. Außerdem würde er den Krieg nicht beenden. Putin würde neue Ultimaten stellen: zuerst Cherson und Saporischschja, wie er es seit 2024 fordert, dann Charkiw und Odessa. Und er würde dort nicht haltmachen. Putin greift diejenigen an, die er für schwach hält.“

Diese Befürchtungen spiegeln die Rhetorik des Kremls wider. Moskau macht seine territorialen Ambitionen kein Geheimnis, und Putins regelmäßige Anspielungen auf weitere Annexionen verstärken die Sorgen.

Der Donbass als Symbol

Heute kontrolliert Russland etwa 20 % des ukrainischen Territoriums. Vollständig besetzt ist nur die 2014 annektierte Krim. Cherson und Saporischschja sind zu 71 % bzw. 74 % unter russischer Kontrolle, Donezk und Luhansk – das Kerngebiet des Donbass – zu 79 % bzw. 99 %. Zudem hält die russische Armee kleinere Brückenköpfe in den Regionen Charkiw und Sumy.

Auch wenn viele Experten daran zweifeln, dass Russland über die wirtschaftlichen und militärischen Mittel für eine Offensive über den Donbass hinaus verfügt, bleibt diese Region der Hauptschwerpunkt des Kremls. Seit mehr als drei Jahren konzentriert Moskau seine Offensive dort und erweitert seinen Einfluss um den Preis hoher Verluste.

Für Putin besitzt der Donbass sowohl symbolische als auch propagandistische Bedeutung. 2014 brach dort ein von Moskau unterstützter separatistischer Aufstand aus – im Gefolge der proeuropäischen Maidan-Revolution und der Flucht des prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch. Einst das industrielle Herz der Sowjetunion, bekannt für seine Kohlebergwerke und Stahlwerke, geriet die Region seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 in wirtschaftlichen Niedergang.

Heute ist der Donbass nach mehr als elf Jahren Krieg weitgehend zerstört. Zwar gibt es Vorkommen strategischer Rohstoffe, doch ihre Erschließung würde enorme Investitionen erfordern. Angesichts der bereits investierten militärischen und politischen Ressourcen erscheint es unwahrscheinlich, dass der Kreml auf eine vollständige Kontrolle verzichten würde.

Selenskyjs Balanceakt

Selenskyj befindet sich in einer extrem schwierigen Lage – zwischen dem Druck Trumps auf einen schnellen Frieden und den Erwartungen seiner eigenen Bevölkerung.

Die öffentliche Meinung zeigt Erschöpfung: Laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie sind 43 % der Bürger bereit, über eine de-facto-Anerkennung der russischen Kontrolle über besetzte Gebiete zu diskutieren, allerdings ohne formelle Anerkennung. 48 % lehnen jedoch selbst diesen Kompromiss strikt ab.

Mehr als die Hälfte der Befragten würde diese Option nur im Rahmen eines umfassenden Friedensplans mit verlässlichen Sicherheitsgarantien akzeptieren. Eine deutliche Mehrheit (78 %) lehnt jedoch kategorisch ab, Russland Gebiete zu überlassen, die noch unter ukrainischer Kontrolle stehen.

So balanciert die Ukraine zwischen dem Druck des Weißen Hauses und ihrer eigenen nationalen Widerstandskraft. Der Donbass bleibt der Schlüssel zur Frage, wie dieser Krieg enden wird: durch einen riskanten Kompromiss – oder durch einen langwierigen, zermürbenden Konflikt.


Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Le Monde veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: Le Monde.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei Le Monde.

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