Die Zollkriegspolitik von Präsident Donald Trump hat Moskau, Neu-Delhi und Peking tatsächlich zu einer taktischen Annäherung gedrängt. Doch nach Ansicht von Bloomberg verbirgt sich hinter der äußeren Einigkeit ein altes, tief sitzendes Misstrauen – der Zusammenschluss bleibt eine Zweckehe und dürfte kaum von Dauer sein.
Tianjin, die SOZ und die Macht der Bilder
In dieser Woche treffen sich die drei Atommächte in Tianjin zum Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Der Kreml drängt auf ein seit Langem in Aussicht gestelltes Dreiertreffen – und sollte die „Troika“ (RIC) neues Leben einhauchen, wäre das ein starkes Signal: Schwergewichte der Geopolitik rücken unter US-Druck zusammen. Doch die strukturellen Spannungen zwischen Indien und China sowie die wirtschaftlichen Unterschiede machen ein solches Ergebnis unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher sind symbolträchtige Bilder als das Fundament einer neuen Ordnung.
Der Hauptnerv: Indien unter US-Druck
Am stärksten unter Druck steht Indien, bis vor Kurzem ein wichtiger Partner Washingtons. Nach Einschätzung von Bloomberg bekam Neu-Delhi die Zollerhöhungen besonders zu spüren: Die USA verdoppelten die Abgaben auf indische Ausfuhren auf 50 Prozent (Inkrafttreten am 27. August) – als Strafe für den Kauf russischen Öls.
China, ursprünglich das Hauptziel der US-Handelsoffensive, erlebt vorübergehend eine Atempause, bleibt aber in langfristiger strategischer Konkurrenz gefangen. Russland wiederum – von Sanktionen getroffen und in der Ukraine gebunden – sucht Verbündete, um seine Isolation abzufedern.
Die RIC-Idee: von Primakow zur Realität des Misstrauens
Das Konzept RIC entstand in den 1990er-Jahren in Moskau: Der damalige Premier Jewgeni Primakow schlug ein trilaterales Gegengewicht zum globalen Einfluss der USA vor. Auf dem Papier wirkte die Koalition beeindruckend – drei Staaten mit riesigen Volkswirtschaften und Bevölkerungen. In der Praxis wurde sie stets vom Misstrauen unterminiert, vor allem durch die Rivalität zwischen Indien und China.
Der größte Streitpunkt ist ihr langjähriger Grenzkonflikt entlang einer schlecht definierten, 3.488 Kilometer (2.170 Meilen) langen Grenze im Himalaya. Daraus erwuchsen bereits der Krieg von 1962 und immer neue Krisen. 2020 kam es im Galwan-Tal (Ladakh) zu den blutigsten Zusammenstößen seit Jahrzehnten; die Diplomatie fror ein, Neu-Delhi stoppte Touristenvisa für chinesische Staatsbürger und schränkte den Import chinesischer Technologie ein.
Trumps Zölle schieben beide Seiten nun näher zueinander. Kürzlich einigten sie sich darauf, eine Abgrenzung strittiger Grenzabschnitte zu prüfen – ein wichtiger Schritt Richtung Lösung. Visa-Beschränkungen wurden gelockert, und Peking bekundete demonstrativ „Solidarität“ mit Indien beim Thema Exporte. Doch, wie Happymon Jacob, Gründer und Direktor des Council for Strategic and Defense Research, in der Hindustan Times anmerkt, verschwinden die grundlegenden Widersprüche nicht so schnell. Schwere Gewalt konnte vorerst vermieden werden, ein dauerhafter Ausgleich ist jedoch unwahrscheinlich. Neu-Delhi fällt es schwer, Pekings Absichten zu vertrauen – nicht zuletzt angesichts chinesischer militärischer Selbstbehauptung im Südchinesischen Meer und gegenüber Taiwan.
Hinzu kommt Chinas Nähe zu Pakistan – für Indien ein dauerhafter Stachel. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist Peking zum wichtigsten Rüstungspartner Islamabads geworden. Bei einem jüngeren Zwischenfall behauptete Pakistan, chinesische J-10C-Jets hätten fünf indische Kampfjets abgeschossen; Neu-Delhi erklärte, die VR China habe den Rivalen zudem mit Luftabwehr und Satellitenunterstützung versorgt. Diese Achse verschärft Indiens Sicherheitssorgen und festigt das Gefühl, China nicht trauen zu können.
Ökonomie gegen Geopolitik: Asymmetrien, die bleiben
Selbst wenn man die Sicherheit ausklammert, spricht die wirtschaftliche Logik nicht für RIC – insbesondere nicht für Indien. Sein Wachstum stützt sich auf US-Technologien, Kapital und Lieferketten, die weder Russland noch China ersetzen können. Zudem ist Amerika mit großem Abstand der wichtigste Absatzmarkt für indische Waren. 2024 kauften US-Verbraucher indische Güter im Wert von 77,5 Milliarden Dollar, so ein Bericht der Bank of Baroda. Dagegen sind die Käufe Chinas und Russlands nur ein Bruchteil davon.
Für Moskau stellt sich die Lage anders dar: Russland steht objektiv näher bei Peking. Seit den westlichen Sanktionen nach der Krim-Annexion 2014 schnellte der bilaterale Handel auf Rekordhöhen und überstieg im vergangenen Jahr 200 Milliarden Dollar. Unternehmen binden sich zunehmend an Chinas Finanzinfrastruktur – Abrechnungen in Yuan, UnionPay-Karten und mehr. Für Neu-Delhi würde ein Beitritt zu einem solchen Block die Rolle des Juniorpartners bedeuten – politisch wie wirtschaftlich wenig attraktiv.
Der Wiederbelebungsversuch – und warum er fragil ist
All das hindert Moskau nicht daran, dem Format neues Leben einzuhauchen. Im Mai erklärte Außenminister Sergej Lawrow, „die Zeit für die Wiederbelebung“ der Troika sei gekommen. Peking unterstützt die Initiative und betont, sie könne Frieden, Sicherheit und Stabilität fördern.
Sollte RIC echte Koordinationsmechanismen gewinnen, müsste Washington mit abgestimmteren Aktionen seiner Wettbewerber rechnen. Doch, so Bloomberg, verbindet diese drei eher die Notwendigkeit als das Vertrauen. Tianjin bietet die Bühne für wärmere Bilder – nicht jedoch für substanzielle Durchbrüche. Jede Entspannung könnte zerfallen, sobald der US-Druck nachlässt – und damit der Hauptkitt dieser fragilen Partnerschaft.
Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Bloomberg veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.
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