Xi, Putin und Modi zeigen Einigkeit — ein Signal an Washington

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Xi, Modi and Putin
Chinas Staatspräsident Xi Jinping, Indiens Premierminister Narendra Modi (in Weiß) und Russlands Präsident Wladimir Putin beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Tianjin, China, am Montag. Foto: Alexander Kazakov/Reuters via The Wall Street Journal

Die Staats- und Regierungschefs Chinas, Russlands und Indiens traten vor die Presse, hielten sich an den Händen und sagten eine vertiefte Zusammenarbeit zu—ein Signal, das nicht nur an die Teilnehmer der Zusammenkunft, sondern auch an Washington gerichtet war. Der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Tianjin, an dem auch die Spitzen aus Iran, Pakistan, der Türkei, Belarus sowie mehreren zentralasiatischen und kaukasischen Staaten teilnahmen, brachte keine spektakulären Beschlüsse hervor.

Doch das sorgfältig inszenierte Bild—Xi Jinping, Narendra Modi und Wladimir Putin in einer Umarmung—wirkte wie eine deutliche Antwort auf die US-Bemühungen, Peking einzudämmen, die Bindung zu Moskau zu lösen und Neu-Delhi von günstigen russischen Ölimporten „abzulösen“. Nach Einschätzung des Wall Street Journal wog die Atmosphäre des Treffens schwerer als jedes Kommuniqué: Sie zeigt die Grenzen von Washingtons unkonventionellem Versuch, die Weltordnung „neu zu zeichnen“.

Beunruhigende Signale für den Westen

Beobachter in westlichen Hauptstädten sahen in der „Freundschaftstafel“ von Tianjin ein Risiko für die US-Strategie. Michael Fullilove, Executive Director des australischen Lowy Institute, formulierte es unverblümt: „Die milde Behandlung Wladimir Putins durch Präsident Donald Trump hat nichts dazu beigetragen, Russland von China zu lösen. Seine harte Gangart gegenüber Narendra Modi hingegen drängt Indien näher an Russland und erwärmt dessen Beziehungen zu China.“

Nach Ansicht des Wall Street Journal spiegelt das einen breiteren Trend wider: Washingtons Versuch, die globale Architektur neu zu konstruieren, prallt auf die eigenständigen Interessen bedeutender nichtwestlicher Mächte.

Indien zwischen strategischer Autonomie und Tarifdruck

Indien ist der Eckpfeiler der US-Strategie zur Eindämmung Chinas. Nach tödlichen Zusammenstößen entlang der umstrittenen Grenze im Jahr 2020 blieben die chinesisch-indischen Beziehungen eingefroren. Umso aussagekräftiger war Narendra Modis erster China-Besuch seit sieben Jahren—vor dem Hintergrund einer deutlich verschärften US-Handelslinie. Die von Präsident Donald Trump verhängten Zölle in Höhe von 50 % auf indische Waren (zur Hälfte als Strafe für den Kauf günstigen russischen Öls) lösten eine starke Welle der Empörung aus. Bemerkenswert: Diese Sätze lagen höher als jene gegen China, den strategischen Rivalen der USA. Zusätzlichen Ärger schürten Äußerungen aus der Administration: Handelsberater Peter Navarro sagte unter Rückgriff auf Kastenbegriffe, „die Brahmanen bereicherten sich auf Kosten des indischen Volkes“—gemeint war der Handel mit russischem Öl. Zugleich, so betont das Wall Street Journal, hat die US-Regierung bislang davon abgesehen, die angedrohten zusätzlichen Russland-Sanktionen tatsächlich umzusetzen.

Kabir Taneja, stellvertretender Direktor der Observer Research Foundation in Neu-Delhi, deutet das Treffen in Tianjin als „Reset“ der Beziehungen zwischen China und Indien—und als Signal an Washington, dass Neu-Delhi seine strategische Autonomie schätzt. Wörtlich: „Washington weicht in keiner Hinsicht zurück, und kein Premierminister Indiens—der größten Demokratie der Welt—kann die öffentliche Meinung ignorieren. Das bedeutet, man muss den USA in die Augen schauen und sagen: Wir lassen uns nicht einschüchtern.“ Gleichwohl bezeichnet Taneja die aktuelle Auseinandersetzung als „Anomalie“, verursacht durch Washingtons erratische Kurswechsel, nicht als Vorboten einer langfristigen Abwendung Indiens von den USA.

Auch chinesische Analysten erwarten nicht, dass sich Neu-Delhi von Washington entfernt—angesichts zahlreicher unlösbarer Probleme mit Peking, allen voran des Grenzstreits. Shi Yinhong, Distinguished Professor an der Renmin-Universität, stellt fest: „Natürlich hat Trump zur Stabilisierung der chine­sisch-indischen Beziehungen in hohem Maße beigetragen. Aber die Beziehungen sind lediglich stabilisiert—was im Vergleich zu den schlimmsten Momenten ein erheblicher Fortschritt ist. Die Probleme sind alle noch da, und sie werden nicht gelöst. Jedes große Problem, jeder Streit und sogar die psychologische Feindseligkeit zwischen beiden Nationen bestehen fort.“

Rhetorik der Spitzen und Symbolik des Protokolls

Im Gespräch mit Modi mahnte Xi Jinping, die beiden bevölkerungsreichsten Staaten sollten Freunde sein, einander „zum Erfolg verhelfen“ und sich für „das kooperative Pas de deux von Drache und Elefant“ entscheiden. Der indische Premier hob den „positiven Schwung“ in den bilateralen Beziehungen hervor; in Neu-Delhi ist häufiger von „Partnern statt Rivalen“ die Rede.

Für Wladimir Putin—dessen Energieexporte derzeit vor allem nach China und Indien fließen—war die Szene von Tianjin nur der Auftakt einer mehrtägigen Chinareise. Es folgte die Station in Shanghai und die Aussicht, am 3. September bei einer Militärparade in Peking neben Xi und Kim Jong Un zu stehen. Es war Putins erste Auslandsreise seit seinem Treffen mit Präsident Donald Trump in Alaska am 15. August. Putin und Modi fuhren im selben Wagen zu ihren Gesprächen; Modi nannte die Unterredung „ausgezeichnet“ und erklärte, er erwarte den russischen Präsidenten im Dezember in Indien: „Selbst in den schwierigsten Situationen sind Indien und Russland stets Schulter an Schulter gegangen. Unsere enge Zusammenarbeit ist nicht nur für die Völker beider Länder wichtig, sondern auch für den globalen Frieden, die Stabilität und den Wohlstand.“

Putins Hauptberater Kirill Dmitriew veröffentlichte auf Twitter Aufnahmen, die den russischen Präsidenten in Tianjin im Austausch mit Xi und einer Reihe von Weltpolitikern zeigen—mit einem sarkastischen Kommentar: „‚Isoliertes Russland‘. Und niemand erinnert sich an Bidens Versagen.“

Der „Reverse Kissinger“ gerät ins Stocken

US-Beamte erklären ihre Öffnung gegenüber Moskau als Versuch eines „Reverse Kissinger“—Moskau von Peking zu entkoppeln und Russlands Abhängigkeit von China zu verringern. Die Logik ist klar: Nach den westlichen Sanktionen von 2022 wurde China für Russland zur zentralen wirtschaftlichen Lebensader; deren Schwächung könnte das strategische Gleichgewicht verschieben. Doch, wie das Wall Street Journal anmerkt, ist die Realität weitaus komplexer.

Die Abschlusserklärung des Shanghaier Abschnitts des SOZ-Gipfels erwähnte die Ukraine nicht, doch Putin widmete dem Krieg einen Großteil seiner Rede. Er argumentierte, die „Krise“ habe nicht mit Russlands Invasion begonnen, sondern mit einem angeblich vom Westen unterstützten Umsturz im Jahr 2014, und ein Ende der Kämpfe verlange die Beseitigung „grundlegender Ursachen“—ein Kreml-Euphemismus dafür, Kyjiws Fähigkeit zu beschneiden, eine unabhängige Außenpolitik zu verfolgen.

Marko Mihkelson, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des estnischen Parlaments, zieht ein nüchternes Fazit: „Der ‚Reverse Kissinger‘ funktioniert nicht. Selbst eine partielle oder pragmatische Einreihung Indiens in die Russland-China-Dynamik würde die Festigung einer von China geführten neuen Weltordnung bedeuten—und den strategischen Handlungsspielraum der USA und ihrer Verbündeten in Asien verengen.“

Was hinter der Bühne bleibt—und warum es zählt

Ja, die Widersprüche zwischen den Schlüsselakteuren bleiben: der umstrittene Grenzverlauf zwischen China und Indien, Handelskonflikte, kollidierende Interessen im indo-pazifischen Raum. Doch—so das Wall Street Journal—die Art und Weise, wie Peking, Moskau und Neu-Delhi ihre Bereitschaft signalisieren, die Agenda ohne Rücksicht auf die Vereinigten Staaten „neu zu schreiben“, verweist auf die Herausbildung einer „gleichberechtigten und geordneten multipolaren Welt“ sowie einer „allgemein nutzbringenden, inklusiven wirtschaftlichen Globalisierung“—und auf das Bestreben, „das System der globalen Governance gerechter und ausgewogener zu gestalten“, wie Xi Jinping es formulierte.

Für Washington verengt sich der Handlungskorridor. Ein „weicher“ Kurs gegenüber Moskau löst Russland nicht von Peking, während eine „harte“ Linie—zumal in Kombination mit hohen Zöllen und streitbarer Rhetorik—Indien zu demonstrativer Eigenständigkeit verleiten kann. Die Quintessenz von Tianjin und der Zwischenstation Shanghai liegt weniger in den Kommuniqués als im Signal: Bedeutende nichtwestliche Mächte sind bereit, ihre eigenen „Spielregeln“ zu setzen—und der bloße Wille Washingtons, die Weltordnung umzugestalten, genügt nicht mehr.


Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei The Wall Street Journal veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: The Wall Street Journal .
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei The Wall Street Journal .

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