Lukaschenko kündigt gemeinsame Einsatzbereitschaft mit Russland an
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat am 31. Oktober bestätigt, dass Belarus den neuen russischen Mittelstreckenraketenkomplex Oreschnik auf seinem Territorium stationieren wird. Nach seinen Worten seien Minsk und Moskau bereit, das System im Bedarfsfall gemeinsam einzusetzen. Regierungen im Westen – darunter die Ukraine und Polen – warnen, dass die Stationierung angesichts der gemeldeten Reichweite von bis zu 5.500 Kilometern eine neue Raketenbedrohung für Europa schafft.
Belarussische Beamte bezeichnen den Oreschnik als ein Element defensiver Abschreckung. Alexander Newerowski, stellvertretender Staatssekretär des Sicherheitsrates von Belarus, erklärte, dass die Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit mit Russland durch die „zunehmende Militarisierung“ der Nachbarstaaten ausgelöst worden sei. Er verwies auf Waffenbeschaffungen der baltischen Länder, die Verlegung deutscher Panzerverbände nach Litauen sowie auf die ausgeweitete Aufklärungstätigkeit entlang der belarussischen Grenzen – Entwicklungen, die Gegenmaßnahmen erforderlich machten.
Lukaschenko betonte, dass das System mobil sei und entlang vorab festgelegter Routen operieren werde. Die Behörden bestätigten, dass die Vorbereitung der Einsatzstellungen abgeschlossen sei. Das Verteidigungsministerium teilte mit, dass logistische Fragen sowie die Ausbildung des Personals gelöst worden seien und die Zusammenarbeit mit russischen Einheiten über bestehende bilaterale Mechanismen organisiert werde.
Ein Projekt des Unionsstaates mit wachsender Infrastruktur in Belarus
Das offizielle Minsk hebt hervor, dass der Oreschnik ein Produkt des Unionsstaates ist und in Kooperation entwickelt wird: Belarus produziert das MZKT-79291-Fahrgestell, Russland die Gefechtskomponenten. In den Jahren 2024–2025 entsteht im Rajon Sluzk südlich von Minsk eine groß angelegte Anlage, die vermutlich der Unterbringung eines Raketenbataillons dient. Auf einer Fläche von über zwei Quadratkilometern entstehen neue Hangars, Lagergebäude und Infrastruktur, die früheren sowjetischen Raketengeländen ähnelt, die bis Anfang der 1990er Jahre dort stationiert waren. Es wird erwartet, dass die mit dem Oreschnik ausgerüsteten Einheiten regelmäßig ihre Positionen wechseln und das Areal als Basis für Versorgung und Wartung nutzen.
Lukaschenko erklärte wiederholt, dass Entscheidungen über den Einsatz des Systems gemeinsam mit Putin getroffen würden, während die Zielauswahl in Minsk erfolgen solle. Doch im russischen strategischen Befehlsgefüge liegen Gefechtsdienst und Einsatz von Raketenkomplexen in der Zuständigkeit der Strategischen Raketentruppen und letztlich beim russischen Präsidenten. Die Eingliederung des Oreschnik in die Regionale Militärgruppierung bedeutet de facto eine operative Kontrolle durch das russische Kommando, während Minsk unterstützende Funktionen wahrnimmt.
Laut westlichen Geheimdiensterkenntnissen produziert Russland jährlich rund sechs Oreschnik-Raketen und verfügte Ende 2024 über einen kleinen Bestand einsatzbereiter Systeme. Belarus soll mindestens ein Raketenbataillon erhalten – zwei bis drei Startfahrzeuge sowie ein mobiler Gefechtsstand –, mit möglicher späterer Erweiterung.
Strategische Folgen und Eskalationsrisiken
Trotz der Behauptungen des offiziellen Minsk über den rein defensiven Charakter der Stationierung wird die vorderste Platzierung ballistischer Raketen in unmittelbarer Nähe eines möglichen Konfliktraums üblicherweise als Vorbereitung auf potenzielle Offensivoperationen interpretiert. Raketenstarts vom belarussischen Territorium wären der Abfangarchitektur der US- und NATO-Raketenabwehr ausgesetzt und würden daher im Konfliktfall eine vorherige Ausschaltung solcher Systeme erforderlich machen.
Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Oreschnik als Instrument eines präemptiven Schlages betrachtet wird.
Aktualisierte russisch-belarussische Sicherheitsabkommen enthalten weit gefasste Formulierungen zur gegenseitigen Unterstützung, was potenziell den Einsatz des Systems im Kontext des andauernden russischen Krieges gegen die Ukraine oder im Falle einer Eskalation mit der NATO rechtfertigen könnte. Die Stationierung des Oreschnik auf belarussischem Boden macht das Land zu einem vorrangigen Ziel möglicher Vergeltungsschläge und steigert das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation an der Ostflanke des Bündnisses.


