Brent fällt erstmals seit sechs Monaten unter 60 US-Dollar je Barrel
Die globalen Ölpreise haben ihre Talfahrt am Dienstag fortgesetzt und neue Mehrmonatstiefs erreicht. Investoren preisen zunehmend die möglichen Folgen eines potenziellen Friedensabkommens zwischen Russland und der Ukraine ein. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines Ölmarktes, der in den kommenden Jahren ohnehin mit einem erheblichen Überangebot konfrontiert sein dürfte.
Im frühen Handel fiel Brent-Rohöl auf 59,70 US-Dollar je Barrel und erreichte damit den niedrigsten Intraday-Stand seit Anfang Mai. Der internationale Referenzpreis hat seit der Covid-19-Pandemie nicht mehr unter der Marke von 60 Dollar geschlossen. Die US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) beendete die vorherige Sitzung bei 56,82 US-Dollar je Barrel, dem niedrigsten Stand seit Anfang 2021.
Geopolitik verstärkt den Abwärtsdruck
Zusätzliche Belastung kam aus Washington. US-Präsident Donald Trump erklärte, ein Abkommen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine sei „näher als je zuvor“. Europäische Regierungsvertreter mahnten jedoch zur Vorsicht und verwiesen darauf, dass zentrale territoriale Fragen weiterhin ungelöst seien.
Nach Ansicht der Financial Times gehören die Erwartungen an eine mögliche Entspannung des Konflikts derzeit zu den wichtigsten Faktoren, die den Ausverkauf an den Ölmärkten zu Wochenbeginn beschleunigen.
Sanktionen, Logistik und „gebundenes“ Öl
Analysten zufolge könnte selbst ein hypothetisches Friedensabkommen kurzfristig spürbare Auswirkungen auf den Ölmarkt haben. Die Sanktionen gegen russische Exporte haben die globalen Lieferketten in den vergangenen Jahren erheblich verändert und Tanker gezwungen, deutlich längere Routen von Russlands westlichen Häfen zu Abnehmern in Asien zurückzulegen.
„Ein großer Teil des Öls ist faktisch in verlängerten Lieferketten gebunden“, sagte Martijn Rats, Rohstoffstratege bei Morgan Stanley.
Sollten sich die historischen Handelsmuster wiederherstellen, könne dies einem massiven Abbau von Lagerbeständen gleichkommen. Dutzende Millionen, möglicherweise sogar mehrere Hundert Millionen Barrel könnten dem Markt wieder zur Verfügung stehen, da sie nicht länger in langwierigen Transportwegen feststecken.
Gleichzeitig warnte Rats davor, dass die Märkte womöglich zu weit vorgreifen. Ähnliche Phasen des Optimismus habe es bereits gegeben — und sie hätten sich nicht immer bestätigt.
Überangebot dominiert den Marktausblick
Die geopolitische Unsicherheit trifft auf ohnehin schwache Fundamentaldaten. Brent-Rohöl ist nun den fünften Monat in Folge gefallen — die längste Verlustserie seit elf Jahren — und hat seit Jahresbeginn fast 20 Dollar je Barrel verloren. Hintergrund sind wachsende Sorgen über ein globales Überangebot.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur stieg die weltweite Ölproduktion im Jahr 2025 um rund 3 Millionen Barrel pro Tag, angetrieben sowohl von Opec- als auch von Nicht-Opec-Produzenten wie den USA, Kanada, Brasilien und Argentinien.
Obwohl die Opec ihre Wachstumspläne zurückgefahren hat und das Angebot im vergangenen Monat aufgrund von Sanktionen gegen Russland und Venezuela zurückging, rechnet die IEA für 2026 weiterhin mit einem durchschnittlichen Überschuss von 3,7 Millionen Barrel pro Tag — ein noch größerer Angebotsüberhang als während der Pandemie.
Der Ölmarkt steht derzeit unter Druck von zwei Seiten: den Erwartungen möglicher geopolitischer Veränderungen und einem strukturell überversorgten globalen Markt. Da die Handelsvolumina zum Jahresende traditionell gering sind, können selbst begrenzte Nachrichten deutliche Preisschwankungen auslösen. Analysten rechnen damit, dass Volatilität und Unsicherheit in den kommenden Monaten hoch bleiben werden.
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