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Russland will Reservisten-Einsätze im Ausland auch in Friedenszeiten erlauben – Ein Schritt zur dauerhaften Mobilisierung

3 Min. Lesezeit
Russische Reservisten
Russische Reservisten, die während der Teilmobilmachung eingezogen wurden, nehmen an einer Zeremonie teil, bevor sie in das Gebiet des Russland-Ukraine-Konflikts aufbrechen. Rostower Gebiet, Russland, 31. Oktober 2022. REUTERS/Sergey Pivovarov/Dateifoto.

Regierung billigt Auslandseinsätze von Reservisten in Friedenszeiten

Die Regierungskommission für Gesetzgebung hat einen Vorschlag des Verteidigungsministeriums gebilligt, der den Einsatz von Reservisten für militärische Operationen im Ausland in Friedenszeiten ermöglichen soll, berichtete RBC unter Berufung auf eigene Quellen.

Derzeit dürfen Reservisten – also Bürger, die sich im Reservestatus befinden und einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium über ihre Zugehörigkeit zur Mobilisierungsreserve unterzeichnet haben – nur während einer Mobilmachung oder im Kriegsfall einberufen werden.

Der Vorschlag sieht Änderungen mehrerer wichtiger Gesetze vor, darunter „Über die Verteidigung“, „Über die Wehrpflicht und den Militärdienst“ sowie „Über den Status der Militärangehörigen“.

Ein neues Konzept – „Sonderübungen“ – soll in das Gesetz „Über die Wehrpflicht und den Militärdienst“ aufgenommen werden. Diese Übungen könnten zur Erfüllung spezieller Aufgaben im Falle bewaffneter Konflikte, bei Antiterror-Operationen oder beim Einsatz der russischen Streitkräfte im Ausland abgehalten werden. Daran sollen Reservisten teilnehmen, die Teil der Mobilisierungsreserve der Streitkräfte sind.

Das Verfahren für die Durchführung solcher Übungen wird vom Präsidenten festgelegt, ihre Dauer darf zwei Monate nicht überschreiten.

Beobachter weisen darauf hin, dass der Vorschlag zwar technisch klingt, sein eigentlicher Zweck jedoch hinter bürokratischer Sprache verborgen bleibt. Einige Konsequenzen zeichnen sich jedoch bereits ab.

Wichtige Hintergründe des Vorschlags

1. Wiederkehrende Gerüchte über eine neue Mobilmachung
Seit Monaten kursieren in Russland Gerüchte über eine angeblich bevorstehende Mobilmachung. Oft handelt es sich dabei um eine Art gesellschaftlichen Stimmungstest, um die Reaktion der Bevölkerung zu prüfen, nicht um konkrete Pläne.

2. Der Bedarf an einer größeren Armee
Obwohl die derzeitige Rekrutierungsrate stabile Truppenstärken mit leichtem Wachstum ermöglicht, reicht das Tempo nicht aus, um strategische Ziele zu erreichen. Für ernsthafte Fortschritte an der Front werden zusätzliche Reserveeinheiten benötigt.

3. Die Lehren aus der Teilmobilmachung 2022
Die Teilmobilmachung im Jahr 2022 offenbarte zahlreiche logistische und gesellschaftliche Probleme. Dass sie seither nicht wiederholt wurde, deutet darauf hin, dass die russische Führung eine Wiederholung der negativen Folgen vermeiden möchte.

Was die Gesetzesänderungen bedeuten könnten

Sonderübungen für Reservisten existieren bereits, doch nach geltendem Recht dürfen Teilnehmer nicht ohne formelle Mobilmachung oder Kriegserklärung in Kampfhandlungen geschickt werden.

Die geplanten Änderungen würden faktisch einen Krieg begrenzten Umfangs rechtlich definieren – und damit normalisieren, was bisher als Ausnahme galt. Die Erwähnung der Reservisten könnte nur der erste Schritt sein, dem weitere Änderungen folgen, die schließlich alle Wehrpflichtigen betreffen könnten.

Gleichzeitig deutet dieser Mechanismus darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit einer umfassenden Mobilmachung – die viele Russen befürchten – eher sinkt. Wäre eine großangelegte Mobilmachung geplant, gäbe es keinen Grund, ein niedrigeres Maß der Kriegsbeteiligung gesetzlich festzuschreiben.

Ein Rekrutierungsinstrument im Tarnmantel

Beobachter halten es auch für möglich, dass während dieser Übungen – die gesetzlich verpflichtend sind – Teilnehmer ermutigt werden, langfristige Verträge zu unterzeichnen oder der Mobilisierungsreserve beizutreten.

Wer einige Wochen von seinem zivilen Leben, seiner Arbeit und seiner Familie getrennt ist und in eine militärische Umgebung eintaucht, könnte sich dazu entschließen, zu bleiben. Mit professionellen Werbern, psychologisch geschultem Personal und der richtigen Atmosphäre könnte selbst ein kleiner Prozentsatz der Teilnehmer zu einem spürbaren Anstieg der Rekrutierungen führen.

Dieses System würde somit mehrere Ziele gleichzeitig erfüllen: die Armee stärken, Reservisten ausbilden und die Personalbasis erweitern – ohne die politischen und sozialen Risiken einer erneuten Mobilmachung.

Ein Schritt zu permanenter Kriegsbereitschaft

Auch wenn die Initiative als technische Gesetzesänderung präsentiert wird, stellt sie in Wahrheit eine stille, aber entscheidende Entwicklung in der russischen Militärdoktrin dar. Durch die rechtliche Möglichkeit, Reservisten ohne Kriegserklärung oder Mobilmachung im Ausland einzusetzen, gewinnt Moskau größere operative Flexibilität und zugleich politische Deckung für langfristige Militäreinsätze.

Damit verwischt Russland die Grenze zwischen Krieg und Frieden in seiner Gesetzgebung – und institutionalisiert, was Analysten seit Langem als „Grauzonenstrategie“ des Kremls bezeichnen: einen Zustand ständiger, aber kontrollierter Konflikte, der die politischen Kosten einer offenen Mobilmachung vermeidet.

Im Inneren könnte der Mechanismus zugleich die Loyalität der Mobilisierungsreserve testen und die Rekrutierung über „Sonderübungen“ ankurbeln.

Sollten die Änderungen verabschiedet werden, würde dies die Militarisierung Russlands weiter vertiefen und die Logik der dauerhaften Bereitschaft fest im Rechtsrahmen verankern.

Im Kern bedeutet dies die gesetzliche Verankerung eines „dauerhaft mobilisierten“ Staates – eines Systems, das Krieg führen kann, ohne ihn jemals offiziell zu erklären.

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