Heute: Dez. 16, 2025
Suchen
РусскийEnglish

Wie könnte Russland auf die Beschlagnahmung seiner bei Euroclear eingefrorenen Reserven reagieren?

1 Minute Lesezeit
Euroclear
Die Zentrale von Euroclear in Brüssel. Foto: Sylvain Plazy

Author: Pavel Demidovich, journalist

Russland verfügt weiterhin über ein potenzielles Gegeninstrument in Form europäischer Vermögenswerte, die innerhalb seines Hoheitsgebiets blockiert sind. Anfang 2022 waren nach Einschätzungen, auf die sich die Europäische Zentralbank bezieht, europäische Investitionen im Umfang von rund 438 Mrd. Euro faktisch in Russland festgesetzt. Dazu zählten etwa 276 Mrd. Euro an Direktinvestitionen, darunter Industrieanlagen, Banken und Einzelhandelsvermögen, rund 83 Mrd. Euro an europäischen Krediten, Einlagen und Handelsfinanzierungen sowie etwa 70 Mrd. Euro an Portfolioinvestitionen, vor allem Aktien und Anleihen von Blue-Chip-Unternehmen der Moskauer Börse.

In den vergangenen drei Jahren konnten europäische Investoren nur einen sehr begrenzten Teil dieser Vermögenswerte zurückholen. Weniger als zehn Prozent — unter 20 Mrd. Euro und vermutlich eher in der Größenordnung von 12 Mrd. Euro — wurden über Unternehmensverkäufe realisiert. Hinzu kamen rund 10 Mrd. US-Dollar aus Wertpapieren, die im ersten Quartal 2022 noch vor der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen abgezogen werden konnten. Der überwiegende Rest, darunter allein rund 256 Mrd. Euro an Direktinvestitionen, zuzüglich weiterer zweistelliger Milliardenbeträge an Portfolioanlagen und Kreditengagements, verblieb in Russland.

Auf den ersten Blick könnte dies ausreichen, um die rund 230 Mrd. Euro an russischen Zentralbankreserven auszugleichen, die bei Euroclear eingefroren sind. In der Praxis dürfte der tatsächlich verfügbare Bestand europäischer Vermögenswerte jedoch deutlich geringer sein.

Vor 2022 waren die offiziellen Statistiken zu Direktinvestitionen erheblich verzerrt, da europäische Jurisdiktionen in großem Umfang als Durchleitungsstationen für russisches Kapital dienten. Schätzungen zufolge hatten 70 bis 80 Prozent der über Zypern geführten Investitionen letztlich russische Eigentümer. Die Niederlande fungierten als rechtlicher Sitz für Konzerne wie X5, Yandex und VimpelCom, während Malta, Luxemburg, Irland und das Vereinigte Königreich häufig für Holding- und Finanzierungsstrukturen genutzt wurden.

Bereinigt um diesen sogenannten „Round-Tripping“-Effekt, der auf 40 bis 50 Prozent geschätzt wird, dürfte der tatsächliche Bestand europäischer Investitionen in Russland im Jahr 2021 eher bei rund 150 Mrd. Euro gelegen haben als bei den offiziell ausgewiesenen 276 Mrd. Euro. Dazu zählen Vermögenswerte wie Produktionsstätten von Volkswagen und Siemens, die Einzelhandelsaktivitäten von Auchan, die Bankgeschäfte von Raiffeisen und UniCredit sowie Beteiligungen von BP und Total — allesamt wirtschaftlich relevante Positionen für Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich.

Berücksichtigt man zudem bereits vollzogene Rückzüge, darunter Transaktionen von Ingka Group (Ikea), Nokian Tyres und Shell, sowie erhebliche Wertverluste infolge des Rückgangs des RTS-Index um rund 40 Prozent, dürfte der verbleibende Pool europäischer Vermögenswerte, der realistisch für einen Ausgleich infrage kommt, unter 100 Mrd. Euro liegen.

Banner

Werbung

Don't Miss

Russische Stadt

Wirtschaftliche Unsicherheit und Wahlstrategien: Wie russische Parteien den Weg zu den Duma-Wahlen einschätzen

Eine Analyse darüber, wie wirtschaftliche Stagnation und sinkende Lebensstandards die Wahlen zur russischen Staatsduma prägen könnten — und wie KPRF und LDPR mit unterschiedlichen Strategien auf soziale Unsicherheit reagieren.

Goldene Kirchenkuppeln

Eingefrorene russische Vermögenswerte und Hilfe für die Ukraine: Die EU zwischen Politik und Marktvertrauen

Der Europäischen Union fällt es zunehmend schwer, sich auf einen Mechanismus zur Finanzierung der Unterstützung für die Ukraine mithilfe eingefrorener russischer Vermögenswerte zu einigen.