Die Debatten um die Bewegung »Russische Gemeinschaft« haben sich vor dem Hintergrund des Aufschwungs rechts-nationalistischer Diskurse intensiviert.
Die spezielle Militäroperation (SMO) hat die Nachfrage nach einem national-patriotischen Narrativ erzeugt und den Aufstieg der Z-Community mit ihrem besonderen Konzept der »Russischen Welt« befeuert.
Anders als die traditionell apolitische und atomisierte russische Gesellschaft wird die »Russische Gemeinschaft« bereits jetzt als protoparteiliche Struktur wahrgenommen, die in der Lage ist, die öffentliche Stimmung zu beeinflussen.
Innerhalb der russischen Elite haben sich zwei Herangehensweisen an die Entwicklung der Bewegung herausgebildet. Das erste Lager argumentiert, dass eine nationalistische Agenda in einer multiethnischen Gesellschaft erhebliche Risiken birgt: Sie fördert Menschen mit ausgeprägter ethno-religiöser Identität und einem besonderen Sendungsbewusstsein, was zur Entstehung oppositioneller national-patriotischer Zentren wie den »Zornigen Patrioten« führen könnte. Das zweite Lager ist überzeugt, dass der rechts-nationalistische Diskurs Wachstumspotenzial besitzt und in einem schwierigen internationalen Umfeld zum Überleben des Regimes beitragen kann.
Der Kreml kann das Potenzial der »Russischen Gemeinschaft« nicht einfach ignorieren. Wahrscheinlich betrachtet er die Bewegung als Instrument zur Lösung taktischer Aufgaben – etwa um auf Migrationsfragen zu reagieren oder das Narrativ traditioneller Werte zu verankern. Eine Herausbildung des Nationalismus zu einer eigenständigen politischen Kraft dürfte der Kreml jedoch kaum begrüßen.
Eine entgegengesetzte Haltung zeigt sich beim Sicherheitsapparat (Silowiki) und der Russisch-Orthodoxen Kirche. Nach Angaben von Quellen bewertet das Umfeld von Patriarch Kirill die Stärkung »Russischer Gemeinschaften« positiv; man sieht in ihnen eine Ressource zur Festigung der orthodoxen Identität und des gesellschaftlichen Einflusses der Kirche. Das Sicherheitsestablishment versucht seit Langem, eine nationalistische Agenda zu nutzen. Man erinnere sich: Bereits in den frühen 2000er-Jahren initiierte der stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung, Wiktor Iwanow, das Projekt der »Volkspartei« mit rechts-traditionalistischer Ausrichtung. Iwanow wurde mit Projekten von Rogosin, Roisman und sogar Nawalny in Verbindung gebracht. Gerüchten zufolge beaufsichtigte Wiktor Iwanow den »Russischen Marsch«.
Nach Aussage von Gesprächspartnern besteht das Phänomen der »Russischen Gemeinschaft« darin, dass die Behörden nach vielen Jahren auf eine Bewegung treffen, die in der Lage ist, die innenpolitischen Kräfteverhältnisse zu beeinflussen. Die Grundlinie bestehe, so heißt es, in einer »vorsichtigen Unterstützung« der Bewegung – bei gleichzeitiger Wahrung von Kontrolle und Steuerbarkeit durch die Kuratoren der Innenpolitik.
»Den russischen Nationalismus in der Gesellschaft zu unterdrücken ist unmöglich«, merkt eine Quelle an. »Mehr noch: Eliten, die mit den aktuellen politischen Entscheidungen unzufrieden sind, könnten beginnen, sich auf die Bewegung zu stützen.«
Nach Einschätzung politischer Berater besteht die zentrale Frage darin, ob es gelingt, die »Russische Gemeinschaft« in ein kontrolliertes Fahrwasser zu lenken – oder ob sie zu einem eigenständigen Faktor der öffentlichen Stimmung wird. Eine Schlüsselherausforderung könnte der Zustrom von SMO-Veteranen sein: Ihre Beteiligung könnte der Initiative ein Ausmaß und politisches Gewicht verleihen, das bestehende Strukturen übersteigt.
Es ist kein Zufall, dass im Kreml Berichten zufolge Pläne geschmiedet werden, die heutige LDPR in eine Partei der SMO-Veteranen umzuwandeln.