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Max statt WhatsApp: Wie der Kreml einen „Spion“ in jedes neue Handy einbaut

4 Min. Lesezeit
Max
To register on Max, a user must provide a Russian or Belarusian phone number, which in turn requires a government ID, meaning that any data collection is traceable to an individual. | Photo Illustration by Avishek Das/SOPA Images/LightRocket/Getty Images via Politico

Kurz: Russland bewirbt den staatlich gestützten Messenger Max — einen Dienst ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und mit einer Datenschutzrichtlinie, die Behörden den Zugriff auf Nachrichten, Kontakte, Fotos und Geodaten erlaubt. Nach Angaben westlicher Medien (u. a. Politico) ist die App per Gesetz als „nationaler Messenger“ festgeschrieben, wird auf allen neuen Handys vorinstalliert und durch administrativen Druck sowie Medienkampagnen durchgesetzt.

Der „nationale Messenger“ als Kontrollinstrument

Während russische Truppen im Osten der Ukraine vorrücken, eröffnet die Regierung eine weitere Front — im Inneren. Nach chinesischem Vorbild sollen Bürger auf den heimischen Messenger Max umsteigen, der — anders als gängige Dienste — keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nutzt und dem Staat vollen Zugriff auf Nutzerdaten ermöglicht.
Für die Registrierung ist eine russische oder belarussische Telefonnummer erforderlich — die wiederum nur gegen einen staatlichen Ausweis ausgegeben wird. Das bedeutet: Jede Aktivität in Max ist einer Person eindeutig zuzuordnen.

Michail Klimarew, Leiter der im Exil befindlichen „Internet-Schutzgesellschaft“, bringt es auf den Punkt: „Die Entwickler der App sagen im Grunde, dass sie alles herausgeben werden.“ Er betont zudem: „Alles, was Sie dort tun, wird dem FSB zugänglich sein.“

Wer hinter Max steht — und wie der Dienst gepusht wird

Im Juni wurde ein Gesetz zur Schaffung eines „nationalen Messengers“ unterzeichnet; als Entwickler wurde VK bestimmt. Laut Medien steht das Unternehmen de facto unter Kontrolle Gazprom-naher Strukturen sowie von Juri Kowaltschuk, einem engen Verbündeten von Präsident Wladimir Putin; geleitet wird VK vom Sohn von Sergej Kirijenko, dem Ersten Stellvertreter des Leiters der Präsidialverwaltung. Sowohl Kowaltschuk als auch Kirijenko stehen unter US-Sanktionen.

Seit Monatsbeginn müssen alle neuen Smartphones in Russland mit vorinstalliertem Max ausgeliefert werden. Parallel dazu begann der Regulator Roskomnadsor im Sommer, Sprachanrufe über WhatsApp und Telegram zu blockieren. Die Behörden begründeten dies mit dem Kampf gegen Betrüger und Terroristen, doch WhatsApp bezeichnete den Schritt als Versuch, „das Recht der Menschen auf sichere Kommunikation zu verletzen“.

Die Verwaltung agiert im Gleichschritt mit einer PR-Offensive: Unabhängige Medien berichten über Druck auf Beamte, Bankangestellte und Krankenhauspersonal, auf Max umzusteigen. Funktionäre aller Ebenen preisen die App als „zuverlässig und sicher“, während soziale Netzwerke mit Clips von Prominenten und Influencern geflutet werden. In einem viralen Video warnen Stadtdurchsagen im west­russischen Pensa die Einwohner zunächst, keine Drohnenaufnahmen hochzuladen — und schwenken dann abrupt auf Werbung für Max um, als Weg, „bequem und sicher zu kommunizieren“. Andere Blogger loben die Verbindung, die „sogar auf dem Parkplatz“ und „sogar im Aufzug“ funktioniere.

Obwohl das Produkt noch weiterentwickelt wird, wird Max als „russisches WeChat“ verkauft — eine Plattform, die perspektivisch staatliche Dienste, Banken und Handel bündelt. Laut Firmenangaben wuchs die Nutzerzahl von rund 1 Million Anfang Juni auf 30 Millionen im September.

„Große chinesische Firewall“ auf Russisch

Max ist die logische Fortsetzung des Kurses hin zu einem „souveränen Internet“. 2019 wurde ein Gesetz verabschiedet, das das Runet gegen äußeren Einfluss abschirmen soll. Nach Beginn des großangelegten Angriffs auf die Ukraine 2022 verschärfte der Kreml die Repressionen gegen online organisierten Antikrieg-Protest: Laut OVD-Info wurden Hunderte Strafverfahren eröffnet. Tausende Webseiten wurden gesperrt; in diesem Sommer wurde sogar die Suche nach als „extremistisch“ eingestuften Inhalten kriminalisiert — von Materialien der Anti-Korruptions-Stiftung des verstorbenen Oppositionsführers Alexej Nawalny bis hin zu Informationen zur LGBTQ-Community und sogar zu Meta. Werbung für VPNs ist nun ebenfalls verboten.

Sarkis Darbinjan, Mitgründer der Rechteorganisation RKS Global, sieht in Max den „letzten Baustein“ einer heimischen Firewall: „Es ist der Versuch, die Kommunikation zwischen Bürgern zu kontrollieren — nicht nur ihr Verhalten auf öffentlichen Plattformen.“ Er und andere Experten betonen, nichts hindere den Dienst daran, den Behörden den gesamten Kommunikationsverlauf eines Nutzers zu übergeben — einschließlich Entwürfen und gelöschter Nachrichten. Wehrdienstvermeider, Journalisten, LGBTQ-Personen und andere politisch gefährdete Gruppen seien besonders exponiert. Darbinjan fasst es drastisch zusammen: „Es ist ein Spion in der Hosentasche.“

Die Pflicht zu einer russischen/belarussischen Nummer schneidet den Zugriff aus dem Ausland praktisch ab und isoliert Nutzer von Verwandten und Kontakten jenseits der Grenzen — während der Staat zugleich andere Kommunikationskanäle einschränkt.

Gegenwind: Von Memes bis Empörung

Die Einführung des „nationalen Messengers“ verläuft nicht reibungslos. Der „Parkplatz“-Clip wurde zum Meme-Lieferanten, und einflussreiche, kriegstreue Telegram-Blogger kritisieren die Initiative als digitale Übergriffigkeit. Laut Meduza stehen auch viele Beamte Max skeptisch gegenüber.

Maxim, ein 27-jähriger Lehrer aus Moskau (Nachname aus Sicherheitsgründen zurückgehalten), sagt, er werde die App nicht installieren und lehne die Beschränkungen für WhatsApp und Telegram ab: „Es ist der Versuch der Regierung, unsere Fähigkeit, einander zu schreiben und zu kommunizieren, einzuschränken“, sagt er. „Ich kann bereits nicht mehr so einfach ins Ausland telefonieren wie früher.“

Politische Kalkulation: Schweigen als Ziel

Nach Einschätzung von Nikolai Petrow, Senior Analyst beim Londoner New Eurasian Strategies Center, steht der sprintartige Ausbau der digitalen Kontrolle auch im internationalen Kontext — insbesondere mit Blick auf die Initiativen von Präsident Donald Trump für eine Regelung in der Ukraine. „Für Wladimir Putin ist es äußerst wichtig, potenzielle Proteststimmen über das gesamte politische Spektrum hinweg zum Schweigen zu bringen“, merkt er an, „einschließlich der Ultranationalisten“, die alles ablehnen würden, was nicht die vollständige Kapitulation Kyjiws ist.

Zugleich sieht Petrow keine Anzeichen dafür, dass der Kreml ernsthaft an Frieden interessiert ist: Schritte wie die Einführung von Max zielten darauf ab, „die vollständige Kontrolle über die Lage sicherzustellen — unabhängig davon, wie sich die Ereignisse entwickeln“. Was vor wenigen Jahren als technisch und politisch undenkbar galt, nimmt nun Gestalt an. Sein Fazit fällt düster aus: „Heute kontrolliert der Kreml 90–95 Prozent der Kommunikation“, sagt Petrow. „Morgen werden es 99 Prozent sein.“


Warum das wichtig ist: Max ist nicht nur ein weiteres App-Icon, sondern ein Baustein in einem System, in dem Privatsphäre als verdächtig gilt und Kommunikation als staatlich zu steuernde Ressource. Nach Ansicht von Politico bildet gerade dieses Ökosystem — von den Gesetzen zum „souveränen Internet“ bis zum vorinstallierten „nationalen“ Messenger — eine russische Variante der Firewall, die Nutzer isolieren, die Gesellschaft disziplinieren und Dissens im Keim ersticken soll.


Dieser Artikel wurde auf Grundlage von bei Politico veröffentlichten Informationen erstellt. Der vorliegende Text stellt eine eigenständige Bearbeitung und Interpretation dar und erhebt keinen Anspruch auf die Urheberschaft der ursprünglichen Inhalte.

Das Originalmaterial ist unter folgendem Link einsehbar: Politico.
Alle Rechte an den ursprünglichen Texten liegen bei Politico.

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